Mit Kindern die Berge hochradeln? „Das würden meine Kinder niemals mitmachen!“ Diesen Satz bekomme ich öfters von Freunden und Bekannten zu hören, wenn ich von unseren Familien-Mountainbike-Touren am Wochenende erzähle.
Keine Sorge: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg – oder besser gesagt ein Trail!
Da bin ich mir sicher. Ich glaube sogar, dass fast jedes Kind Spaß am Mountainbiken haben kann. Vorausgesetzt, es ist körperlich gesund, hat das passende Bike und Eltern, die selbst das Biken lieben.
Bärbel Voigtländer
Gemeinsame Zeit mit Papa, Mama oder beiden in der Natur zu verbringen, ist den meisten Kindern immer noch wichtiger als Tablet, Handy oder Fernseher.
Okay, ich gebe zu, meine Kinder sind noch nicht im Teenageralter. Aber ich kenne ein paar bikebegeisterte Eltern größerer Kinder, die erzählen, dass die Lust am Mountainbiken häufig bleibt – während gemeinsame Wanderungen mit der Familie doch irgendwann ziemlich uncool sind.
Warum tut Mountainbiken Kindern gut?
Frische Luft, Bewegung und natürlich ganz viel Spaß: Braucht es mehr Gründe, um mit Kindern auf eine Mountainbike-Tour zu gehen? Eigentlich nicht, oder? Wer noch nicht überzeugt ist: Beim Mountainbiken werden Kinder sportlich und koordinativ gefördert, sie trainieren Ausdauer und Balance, verbessern ihre Konzentrationsfähigkeit und stärken ganz nebenbei ihr Selbstbewusstsein.
Bärbel Voigtländer
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Das Wichtigste ist aber: Der Spaß – und der sollte beim Mountainbiken mit Kindern immer im Vordergrund stehen! Und den finden Kinder nicht im Erreichen möglichst vieler Höhenmeter.
Ungebremst durch Matschpfützen fahren dürfen, spannende, schmale Wege durch den Wald erkunden und über kleine Hügel oder eine selbstgebaute Holzrampe springen dürfen – das macht Kindern beim Mountainbiken Spaß.
Es muss nicht gleich die perfekte Biketour in den Alpen sein oder der coolste Bikepark – auch im nahgelegenen Wald oder im Stadtpark finden sich kleine Lehmhügel, sanfte Bodenwellen, schmale Wiesentrails und rasante Fahrten auf der Schotterpiste.
Bärbel Voigtländer
Ab welchem Alter können Kinder mit dem Mountainbiken beginnen?
Das habe ich Petra Spießl, Mountainbikeguide und Fahrtechniktrainerin bei Happy Trails, gefragt. Sie ist Ausbilderin und Mitglied des Bundeslehrteams der DIMB (KidsOnBike) und empfiehlt: „Eigentlich so früh wie möglich!“
Ein Kind, das bereits mit dem Laufrad über Wald- und Schotterwege gefahren ist, bekommt ganz automatisch ein Gefühl für die verschiedenen Untergründe und die richtige Balance auf dem Rad. Der Umstieg aufs richtige Fahrrad ist in den meisten Fällen dann ein Kinderspiel.
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Doch keine Sorge: Auch wenn Dein Kind lieber im Buggy durch den Park geschoben wird und das Laufrad bisher noch in der Ecke steht – manchmal braucht es etwas Zeit, Geduld und ein liebevolles Vorbild, bis das Kind die Lust am neuen Sportgerät entdeckt.
Welche Ausrüstung braucht der MTB-Nachwuchs?
Es muss nicht gleich die Luxus-Ausstattung sein, damit das Kind zum Moutainbike-Fan wird. „Wenn ein Sechsjähriger mit Fullface-Helm auf eine ganz normale Mountainbike-Tour geschickt wird, bei der es nicht nur Downhill-Passagen gibt, sondern er auch mal den Berg hochstrampeln muss, ist das natürlich völlig übertrieben“, bestätigt mir Petra Spießl im Gespräch.
Und die Lust am Mountainbiken könnte damit auch schnell wieder vergehen. Genauso wie mit einem zu schwerem Rad.
Das Bike ist natürlich der wichtigste Bestandteil der Ausrüstung. Und das sollte vor allem leicht sein. Wenn das Bike doppelt so viel wiegt wie das Kind, wird es damit kaum Spaß bekommen.
Mountainbikeguide Petra Spießl
Wichtig ist auch, dass Rahmengröße und Abstände zum Kind passen, zum Beispiel muss das Kind gut an die Bremse kommen und diese leicht mit zwei Fingern betätigen können. „Wenn das Kind immer die ganze Hand nehmen muss, um zu bremsen, ist das nicht nur viel zu anstrengend, sondern auch gefährlich“, so Petra Spießl.
„Auch Federelemente sind an Kinder-Mountainbikes bis 20 Zoll ziemlich überflüssig, da die Federung auf das leichte Körpergewicht des Kindes ohnehin kaum reagiert. Eine Federgabel ist eigentlich erst bei größeren Kindern, ab einem Gewicht von ca. 30 kg sinnvoll“, sagt die Mountainbike-Trainerin.
Happy Trails
Neben einem passenden Bike braucht das Kind natürlich einen Helm und geschlossene Schuhe mit einer festen Sohle, die nicht von den Pedalen rutschen. „Auch Handschuhe und eine Brille, am besten eine mit helleren Gläsern (orange oder hellblau), die gut sitzt, erhöhen die Sicherheit beim Moutainbiken enorm und sollten zur Grundausstattung gehören“, so die Mountainbike-Expertin.
„Ist das Kind viel in Bikeparks unterwegs, sollte es natürlich schon ein Fullface-Helm tragen. Auch Protektoren sind in diesem Fall wichtig.“
Brauchen Kinder einen Mountainbike-Technik-Kurs?
„Das kommt ganz aufs Kind an“, sagt Petra Spießl. „Wenn das Kind sehr früh mit dem Fahrradfahren angefangen hat und auch die Eltern eine gute Moutainbike-Technik besitzen, lernt es vieles natürlich ganz intuitiv.
Nichtsdestotrotz können gerade in jungen Jahren in einem Kurs gute Grundlagen für den Sport geschaffen werden, von denen das Kind später profitiert.“ Und das Beste: „Das funktioniert ganz spielerisch und mit ganz viel Spaß“, sagt Petra, die selbst zahlreiche Moutainbike-Kurse für Kinder durchgeführt hat.“
„Alleine das Zusammensein mit anderen Kindern und mit Gleichaltrigen zu fahren, tut den Kindern einfach gut und spricht aus meiner Sicht für einen Mountainbike-Kurs.“
MTB-Touren für Kinder: Was gibt’s zu beachten?
Möglichst viele Höhenmeter, anspruchsvolle Trails oder eine Hütteneinkehr? Bei der Tourenplanung für Kinder stehen andere Dinge im Vordergrund.
Die Tour muss vor allem abwechslungsreich sein. Kein Kind hat Lust, stundenlang einen Forstweg hochzuradeln.
Mountainbikeguide Petra Spießl
„Weniger ist manchmal mehr – das gilt vor allem für die Länge der Tour und die Steigungen. Stattdessen sollte die Tour einige Highlights beinhalten, auf die sich die Kinder freuen können“, rät die Expertin.
Die Highlights, von denen Petra spricht, sind dabei meist nicht die, auf die sich die Erwachsenen freuen. Während wir uns auf die Aussicht und das wohlverdiente Radler oben auf dem Gipfel freuen, ist das unseren Kindern ziemlich egal.
Bärbel Voigtländer
Viel wichtiger ist, was sie unterwegs, also auf dem Weg dorthin, erleben. Eine Bachüberquerung, durch schmale dschungelartige Trails fahren oder einen Wiesen-Abhang hinuntersausen. „Manchmal muss das Highlight auch gar nichts mit dem Mountainbiken zu tun haben“, weiß Petra.
Steine-Weitwurf, Tiere zählen, über einen Holzstamm klettern oder ein schönes Spiel auf der Picknickdecke? Der Kreativität sind da kaum Grenzen gesetzt. Wichtig ist, dass auf jeder Tour der Spaß im Vordergrund steht!
Und wenn der Weg zur Hütte, auf die sich die Eltern so freuen, doch zu weit ist? „Als Eltern muss man die eigenen Ansprüche auf jeden Fall runterschrauben. Es ist schließlich keinem damit gedient, wenn die Kinder unterwegs nur noch motzen“ sagt die Mountainbike-Expertin.
Bärbel Voigtländer
Wer die eigene Leidenschaft fürs Mountainbiken auf seine Kinder übertragen möchte, braucht also Kreativität, Einfühlungsvermögen und manchmal auch einfach Geduld. Die Lust am Mountainbiken kommt dann oft von ganz allein – und klar, manchmal helfen auch ein Abschleppseil und ein paar Gummibärchen dem Bike-Spaß auf die Sprünge.
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