Eis und Schnee statt Sonne und See – warum steigen wir im Hochsommer freiwillig in frostige Höhen? Weil die wilden Gletscherlandschaften ein besonderes Bergerlebnis garantieren und hohe Gipfel eine magische Anziehungskraft auf uns ausüben. Für den Nervenkitzel beim Überschreiten eines luftigen Grats oder bei der Wegfindung in einem zerklüfteten Gletscherbruch, für die meditative Stimmung bei Sonnenaufgang und die Euphorie auf dem Gipfel nehmen wir gerne Kälte und Anstrengungen in Kauf. Klar, dass diese Aussichten nicht nur alte Hasen, sondern auch Anfänger anlocken. Doch welche Voraussetzungen musst Du als Anfänger für Deinen ersten 4.000er mitbringen?
Bergzeit
Voraussetzungen für eine 4.000er-Besteigung
Körperliche Fitness ist für Hochtouren, bei denen man häufig vor Sonnenaufgang startet und erst nachmittags wieder an der Hütte ankommt, besonders wichtig. Die Kraft sollte nicht nur bis zum Gipfel reichen, sondern auch für den sicheren Abstieg und für eventuelle Zwischenfälle. Neun Stunden Gehzeit und 1.000 Höhenmeter im Aufstieg solltest Du in Normalhöhe gut bewältigen können. Da Dein Körper bei Bergtouren mit schwerem Rucksack anders belastet wird als bei Rad- und Joggingrunden im Flachland, trainierst Du Deine Kondition am besten bei ausgedehnten Bergwanderungen oder -läufen.
Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sind für ausgesetzte Passagen an Gipfelgraten oder im felsigen Gelände unbedingt notwendig. Auf exponierten Wanderwegen oder Klettersteigen kannst Du Dich an die schwindelerregenden Tiefblicke gewöhnen und fühlst Dich dann auf Deinem ersten 4.000er für Anfänger sicherer. Einige Bergschulen bieten sogar spezielle Kurse zur Überwindung von Höhenangst an.
Bergzeit
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Für selbstständige Hochtouren ist die Teilnahme an einem Gletscherkurs eine wichtige Voraussetzung. Dafür solltest Du neben Ausdauer, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit auch längere Erfahrung mit eigenen Bergtouren mitbringen. Bei einem viertägigen Kurs in kleiner Gruppe am Großvenediger beispielsweise lernst Du als Anfänger die richtige Gehtechnik mit Steigeisen, den Einsatz des Pickels, Spaltenbergungsmethoden und Taktiken für Touren in der Seilschaft. Zudem vermittelt Dir der Bergführer viel Wissen zu alpinen Gefahren, Wetterkunde, Tourenplanung und Orientierung. Gemeinsam erklimmt ihr einfache Eisgipfel und gewinnt Routine bei steilen Auf- und Abstiegen im Firn oder bei leichten Klettereien mit den Steigeisen.
Bevor Du selbstständig auf den ersten 4.000er steigst, solltest Du Hochtourenerfahrung auf 3.000er-Gipfel gesammelt haben. Entscheidend sind außerdem solide Kenntnisse der Tourenplanung und -durchführung im hochalpinen Gelände. Dazu gehört, die Karte richtig zu interpretieren und nicht nur einem GPS-Track zu folgen.
Akklimatisation in der dünnen Luft
Ausrüstung für Hochtouren
Neben der Ausbildung, Erfahrung und Akklimatisation sollte zudem die Ausrüstung stimmen. Bei gebuchten Hochtouren auf 4.000er für Anfänger erhältst Du von der Bergschule oder dem Bergführer eine detaillierte Ausrüstungsliste. Zur obligatorischen Ausstattung gehören neben warmer Kleidung (u.a. Daunenjacke sowie Hardshelljacke, Funktionsunterwäsche, Fäustlinge) die Steigeisen, Eispickel, Anseilgurt, Eisschraube, (u.a. HMS-, Schraub-) Karabiner und Reepschnüre. Bei hochsommerlichen Temperaturen im Tal ist es schwer zu glauben, dass auf dem Gipfel Minusgrade herrschen. Die Kälte in der Höhe – besonders bei Wind (Stichwort: Windchill-Effekt) – solltest Du auf keinen Fall unterschätzen: lieber ein Paar warme Handschuhe und eine kuschelige Jacke mehr im Rucksack, als eine Erkältung oder sogar Erfrierungen zu riskieren.
Ein Erste Hilfe-Päckchen und ein Biwaksack gehören wie das (voll geladene) Mobiltelefon zu Deiner obligatorischen Sicherheitsausrüstung. Eine Sportuhr mit Höhenmesser erleichtert die Orientierung und Tourenplanung.
Bergzeit
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Nach den ersten Erfolgserlebnissen mit leichten 4000ern wirst Du Deine Ziele schnell höher setzen – es erwarten Dich viele unvergessliche Bergabenteuer!
4.000er für Anfänger: 6 Tourentipps
In den Ostalpen ragt nur ein einziger Berg – der Piz Bernina (4.049 m) – über die magische 4.000 Meter-Marke. Für die Besteigung weiterer Viertausender muss Du die Reise in die Westalpen in Kauf nehmen. 41 der insgesamt 82 Viertausender zählen zu den Walliser Alpen. Folgende Touren sind für Anfänger geeignet:
1. Breithorn (4.164 m), Wallis, Schweiz
380 Hm, 3:30 Std. (gesamt)
Charakter: Der kurze Normalanstieg gilt als eine der leichtesten Touren auf einen 4.000er-Gipfel.
Ausgangs- und Endpunkt: Bergstation Matterhorn glacier paradise (3.883 m) am Klein Matterhorn
Route: Matterhorn glacier paradise – Breithornplateau – Breithorn Westgipfel
2. Alphubel (4.206 m), Wallis, Schweiz
1.500 Hm, 9 Std. (gesamt)
Charakter: Die technisch wenig schwierige Hochtour mit fantastischem Panorama erfordert eine sehr gute Kondition und sicheres Gehen mit Steigeisen in der bis zu 40° steilen Gipfelflanke (»Eisnase« am Südostgrat).
Ausgangs-/Endpunkt: Täschhütte (2701 m) bzw. Täschalp (2205 m) im Mattertal
Route: Täschhütte – Alphubelsee – Alphubelgletscher – Alphubeljoch – Alphubel
3. Allalinhorn (4.027 m), Wallis, Schweiz
800 Hm rauf, 560 Hm runter, 5 Std. (gesamt)
Charakter: Bei Auf- und Abstieg auf der Normalroute einfacher, aussichtsreicher und viel bestiegener Viertausender. Die Überschreitung mit Aufstieg über den Hohlaubgrat und Abstieg über die (leichte) Normalroute erfordert absolute Trittsicherheit, Schwindelfreiheit und Kletterkönnen mit Steigeisen im II. Schwierigkeitsgrad (UIAA) am Fels.
Ausgangspunkt: Saas-Fee (1.798 m) bzw. Metro Alpin Mittelstation (Stollenfenster, 3.200 m)
Endpunkt: Station Mittelallalin (3.456 m)
Route: Mittelstation (Stollenfenster) Metro Alpin – Hohlaubgletscher – Hohlaubgrat – Allalinhorn – Feejoch – Station Mittelallalin
4. Lagginhorn (4.010 m), Wallis, Schweiz
1.060 Hm, 6:30 Std. (gesamt)
Charakter: Nahezu gletscherfreie Hochtour über felsiges, z.T. ausgesetztes Gelände, mit leichter Blockkletterei im II. Schwierigkeitsgrad (UIAA). Steinschlaggefahr (Helm mitnehmen).
Ausgangs-/Endpunkt: Saas Grund (1.559 m) bzw. Bahnstation Hohsaas (3.142 m)
Route: Hohsaas – Lagginhorn-Gletscher – Westgrat – Lagginhorn
Zum Tourenbericht: Das Lagginhorn – Der ideale Viertausender für Einsteiger
5. Gran Paradiso (4.061 m), Aostatal, Italien
1.400 Hm, 8 Std. (gesamt)
Charakter: Leichte, stark frequentierte Hochtour, die Ausdauer, Schwindelfreiheit und etwas Kletterkönnen erfordert – auf den letzten 100 Metern vom Grat zum Gipfel sehr ausgesetzte, leichte Felskletterei (UIAA II+).
Ausgangs-/Endpunkt: Parkplatz Alpe Pravieux (1.830 m) bzw. Rifugio Chabod (2.750 m) im Valsavarenche
Route: Rifugio Chabod – Laveciau-Gletscher – Gran Paradiso
Zum Tourenbericht: Besteigung des Gran Paradiso – Viertausender im Nationalpark
6. Spaghettirunde im Wallis
Bei guten Bedingungen können Bergsteiger auf dieser Tour durch das beeindruckende Monte Rosa-Massiv elf technisch einfache Viertausender in fünf Tagen erklimmen.
Charakter: Es sind eine sehr gute Kondition (gesamt ca. 5.000 Höhenmeter, tägl. bis 10 Std. Gehzeit), Schwindel- und Trittsicherheit sowie Gletschererfahrung bei leichten bis mittelschweren Touren (leichte Kletterpassagen) erforderlich.
Ausgangs- und Endpunkt: Zermatt
Route / Etappen:
- Tag 1: Zermatt – Breithorn (4.164 m) – Pollux (4.091 m) – Rifugio Guide d´Ayas (3.400 m)
- Tag 2: Rifugio Guide d´Ayas – Castor (4.226 m) – Rifugio Quintino Sella (3.585 m)
- Tag 3: Rifugio Quintino Sella – Il Naso (4.205 m) – Balmenhorn (4.167 m) – Vincent-Pyramide (4.215 m) – Rifugio Città di Mantova (3.400 m)
- Tag 4: Rifugio Città di Mantova – Corno Nero (4.215 m) – Ludwigshöhe (4.341 m) – Parrotspitze (4.436 m) – Signalkuppe / Capanna Regina Margherita (4.456 m)
- Tag 5: Capanna Regina Margherita – Zumsteinspitze (4.563 m) – Monte-Rosa-Hütte – Station Rotenboden (2.815 m) – Zermatt
Zum Tourenbericht: Die Spaghetti-Runde – Auf Hochtour im Monte Rosa-Massiv