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Der Transalp-Pionier

Transalp-Erfinder und MTB-Legende Andi Heckmair im Interview

6 Minuten Lesezeit
Andi Heckmair gilt als Erfinder und Wegbereiter des Mountainbike-Transalp aber auch der weltweit erste Fahrradrucksack geht auf das Konto des Oberstdorfers. Arnold Zimprich bat den 73-Jährigen zum Interview.
Der Oberstdorfer Andi Heckmair erfand den Transalp - und den ersten Mountainbike-Rucksack der Welt. | Foto: Archiv Heckmair

Archiv Heckmair

Der Oberstdorfer Andi Heckmair erfand den Transalp – und den ersten Mountainbike-Rucksack der Welt.


Geradezu legendär ist bei Mountainbikern die Heckmair-Route von Oberstdorf nach Riva del Garda. Auch ein knappes Vierteljahrhundert nach der Erstbefahrung gehört sie zu den beliebtesten MTB-Routen über die Alpen.

Ihren Ursprung hatte die Idee im aufkeimenden Mountainbike-Boom Anfang der 1990er-Jahre. Zur gleichen Zeit erblickte auch der erste Bikerucksack das Licht der Welt.

Andreas Heckmair ist der Erfinder beider Mountainbike-Meilensteine. Arnold Zimprich hat sich für das Bergzeit Magazin mit dem Oberstdorfer über den Transalp an sich und seine Zusammenarbeit mit dem Rucksackhersteller Deuter unterhalten.

Arnold Zimprich: Servus Andi! Hand aufs Herz: Wann bist Du Deinen letzten Transalp gefahren?

Andi Heckmair: Die von mir entwickelte Originalroute bin ich das letzte Mal 2010 gefahren.

Verdienst Du immer noch Geld mit dem Mountainbiken?

Andi Heckmair: Ich gehöre inzwischen zu den Bike-Rentnern (lacht). Trotzdem führe ich aber noch Touren, die mich wirklich jucken – zum Beispiel für Top Mountain Tours in Starnberg. Kürzlich war ich zum Beispiel in der Mongolei unterwegs. Unser Fahrradgeschäft in Oberstdorf habe ich aber inzwischen an meinen Sohn abgegeben.

Du hast selbst den Urvater aller Bikerucksäcke, den Deuter Bike 1, mitentwickelt. Wie lief das damals?

Andi Heckmair: Im Jahr 1990 habe ich verschiedenen Firmen einen ersten Entwurf vorgelegt. Nur Bernd Kullmann von Deuter war schließlich bereit, den Bike 1 herzustellen und damit eine neue Ära in der Rucksackgeschichte einzuläuten. Der Bike 1 hatte damals 24 Liter Volumen und war recht einfach aufgebaut.

Skeptische Blicke vom Publikum. Nicht nur die Kühe staunten zu den Anfangszeiten über die Mountainbiker auf den Almwiesen.

Archiv Heckmair/Deuter

Skeptische Blicke vom Publikum. Nicht nur die Kühe staunten zu den Anfangszeiten über die Mountainbiker auf den Almwiesen.


Skeptische Blicke vom Publikum. Nicht nur die Kühe staunten zu den Anfangszeiten über die Mountainbiker auf den Almwiesen.

Archiv Heckmair/Deuter

Trailforschung Anfang der 1990er-Jahre. Heckmair & Co. unterwegs am ersten Transalp.


Du wiederum giltst als Urvater des Transalp. Wie sahen die Anfänge aus?

Andi Heckmair: Da muss ich etwas weiter ausholen. Ursprünglich war ich als staatlich geprüfter Bergführer tätig. Im Winter 1979/80 hatte ich einen schweren Lawinenunfall, nach dem klar war, dass ich nie wieder etwas mit Bergsteigen und Skifahren würde machen können. Was sozusagen übrig blieb, war das Radfahren. Ich konzentrierte mich zunächst auf das Rennrad und fuhr zahlreiche Alpenpässe. Mit der Zeit baute ich mir eine echte Pass-Expertise auf.

Das geht ja auch abseits der Teerstraßen!

Dann erst kam ich auf die Idee, auch auf das MTB umzusatteln. Der erste Mountainbike-Hype Ende der Achtziger Jahre kam daher hierzulande genau zur rechten Zeit. Ich konnte mein Know-How als Bergführer mit meinem Rennradlwissen in einen Topf werfen!

Wie hast Du den ersten Transalp konkret vorbereitet?

Andi Heckmair: Ich habe ein Lineal auf die Landkarte gelegt und die kürzeste Strecke zwischen Oberstdorf und Bozen quer über die Berge gesucht. Das sah zunächst wenig Erfolg versprechend aus. Dann habe ich das Lineal jedoch Richtung Gardasee verschoben. Siehe da, das machte schon einen besseren Eindruck! Die Pässe auf der Route sahen – zumindest auf den ersten Blick – machbar aus.

Ich habe ein Lineal auf die Landkarte gelegt

Ich habe dann zwei Jahre damit verbracht, die ideale Route auszuklamüsern. Das bedeutete, Wochenende für Wochenende einen Pass nach dem anderen auf seine tatsächliche Fahrbarkeit zu „testen“. Mein Ziel war, eine Strecke zu entwickeln, die pro Tag maximal zwei Pässe beinhaltet. Das Ergebnis ist die Heckmair-Route, wie man sie heute kennt. Im Juli 1990 habe ich sie dann mit zwei Freunden erstbefahren!

Wie ging es dann weiter? Gab es einen regelrechten Hype?

Andi Heckmair: 1991 kam Uwe Geißler von der Bike und hat einen Bericht über unseren Transalp geschrieben, der aber mehr oder weniger dem MTB-Fachpublikum vorbehalten war. Wenig später kam jedoch ein Redakteur des Stern auf mich zu und brachte eine sechs bis sieben Seiten lange Reportage. Dann war erstmal der Teufel los! Auch der Bayerische Rundfunk stand bei mir auf der Matte und hat einen Film gedreht. Eine richtige Pionierszene ist entstanden, Wegbereiter waren Ulrich Stanciu (ehemaliger Chefredakteur der Bike, Anm. d. Red.), Achim Zahn (Bikeguide und Buchautor, Anm. d. Red.) und andere.

Was hat Deine Familie zu dem Unterfangen gesagt?

Andi Heckmair: Wenn man Bergführer ist, fragt die Familie bei solchen Projekten nicht groß nach (lacht). Außerdem habe ich eine sehr sportliche Frau und auch meine Söhne sind nach wie vor gut dabei!

Wie haben die Menschen unterwegs – also Almbauern, Hüttenwirte, Bergsteiger – auf Euch erste „Transalpinisten“ reagiert?

Andi Heckmair: Mit Unverständnis. So nach dem Motto: „Was machen die denn da?!“ Wir wurden oft gefragt, was das eigentlich soll. Das war nicht feindselig gemeint, die Leute konnten sich nur nicht vorstellen, warum man ausgerechnet abseits der Teerstraßen über die Berge radeln will, wo es doch zu Fuß viel einfacher ist! Erst recht bei Tragepassagen ist man uns kopfschüttelnd begegnet. Man kann sich das ein bisschen so vorstellen wie in Nepal heutzutage. Da werden Biker auch (noch) sehr verwundert beäugt…

Mit was für einem Rad warst Du damals unterwegs?

Andi Heckmair: Ich war damals mit einem Centurion unterwegs. Keine Federgabel, kein gefederter Hinterbau. Der damalige Centurion-Chef Wolfgang Renner hat mir davon abgeraten, die damals noch brandneue Technik einzusetzen. Die allererste Rock Shox-Federgabel für den deutschen Markt war gerade erst präsentiert worden und man begegnete der neuen Technik aus Übersee noch mit etwas Skepsis. Immerhin war das Bike schon mit einer Shimano Deore XT-Schaltgruppe ausgestattet! Die Geometrie des Bikes mit seinem stark abfallenden Oberrohr war allerdings etwas gewöhnungsbedürftig.

Hast Du vor 25 Jahren geahnt, welchen Umfang die Transalp-Bewegung und das Mountainbiken an sich einmal einnehmen würden?

Andi Heckmair: Vorhergesehen habe ich das sicher nicht. Manchmal reibe ich mir immer noch die Augen! Die ersten Berichte haben zwar einiges in Bewegung gesetzt, dass es aber derartig einschlagen würde, haben wir damals nicht erwartet.

Den Hype habe ich nicht vorausgesehen!

Ich habe später dann den Oberstdorfer Bike Marathon mit initiiert und als Rennleiter betreut. Daneben habe ich mich darum gekümmert, dass dieser tolle Sport hier in der Umgebung populär wird!

24 Jahre Rucksack-Evolution: Der „Bike 1“ und die 1914er-Version des „Bike One“.

Deuter

24 Jahre Rucksack-Evolution: Der „Bike 1“ und die 1914er-Version des „Bike One“.


Wie sieht die Zusammenarbeit mit Deuter aus? Bist Du ab und zu in Gersthofen oder besucht Dich Bernd Kullmann in Oberstdorf?
Andi Heckmair: Ich bin nach wie vor freier Mitarbeiter und ab und zu bei Deuter in beratender Funktion zu Gast. Auch Bernd Kullmann von Deuter schaut hin und wieder bei uns im Oberallgäu vorbei und wir besprechen die aktuellen Entwicklungen.

Welche Deiner Ideen sind in die Entwicklung der Transalp-Rucksackserie bei Deuter eingeflossen?

Andi Heckmair: Viele meiner Ideen wurden umgesetzt, zum Beispiel die einer ausgeklügelten Belüftung. Ich halte immer noch einige Patente, die Deuter in der Praxis einsetzt.

Welches Deuter-Modell ist Dein Lieblingsrucksack? Welche Größe empfiehlst Du für einen Transalp?

Andi Heckmair: Im Einsatz habe ich derzeit den Deuter Race X für Tagestouren und den kleinen Trans Alpine mit 25 Liter Volumen für längere Touren. Ich bekomme regelmäßig von Deuter Testrucksäcke, die dann in die Mangel genommen werden. Für einen Transalp empfehle ich einen Rucksack zwischen 25 und 30 Litern Größe. Faustregel: Je leichter der Rucksack, desto mehr Spaß macht’s!

Zum Schluss hätten wir gerne noch drei Profi-Tipps für blutige Transalp-Neulinge von Dir!

Andi Heckmair: 1. Lange Vorausplanung! Ein Neuling sollte rund ein Jahr vor dem Starttermin mit der Planung anfangen. Wichtig ist auch, auf den gesetzten Termin gezielt hinzuarbeiten und ihn dann auch einzuhalten. Ein wenig Regen am Anfang sollte keinen abschrecken!
2. Je besser die Kondition, desto größer der Spaß! Training macht den Meister, das gilt erst recht bei einer Herausforderung wie dem Transalp. Man sollte bei der Routenplanung stets im Hinterkopf behalten, was man sich konditionell zutrauen kann!
3. Elektronische Hilfsmittel wie GPS oder Smartphone sind nur das Tüpfelchen auf dem i. Die Route sollte auch im Kopf präsent sein. Das A und O ist die Fähigkeit, Karten lesen zu können und die Route gut auszuarbeiten.

Andi, vielen Dank für das Interview und eine schöne Bikesaison!

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