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Betastick Clipstick im Test

6 Minuten Lesezeit
Früher und auch heute noch hierzulande belächelt und beschimpft, gehört er in Frankreich schon lange zur Standardausrüstung beim Sportklettern - der Clipstick! Ein Clipstick-Testbericht stand eh schon lange aus - hier ist der BetaStick.

Als ich vor einigen Jahren angefangen habe zu klettern, lachte ich noch jeden aus, der mit dem BetaStick in Franken die ersten Expressen vorgeklippt hat. „Wer sich es nicht traut, der soll’s halt lassen“, habe ich mir gedacht. Was soll ich sagen: Hochmut kommt vor dem Fall! Mittlerweile will ich den Standard-Clipstick nicht mehr missen. Am Ende zählt wie immer, es kommt darauf an, was man daraus macht, oder in diesem Fall damit macht.

Der Betastick Clipstick unterwegs

Im Süden Bayerns ist er nicht so vonnöten, da die meisten Touren bestens mit Bohrhaken ausgestattet sind. Je mehr man aber gen Norden zum Klettern fährt, desto weiter werden die Hakenabstände und die Zuhilfenahme des Clipsticks nimmt zu. Dort ist er ebenso verbreitet wie in den Schluchten Spaniens, wo das Wasser jahrhundertelang die Felsen geschliffen hat.

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Eingeklippt und hoch damit. Gerade bei kritischen Einstiegen kann der Betastick sehr nützlich sein. | Foto: Anna Ternes

Ursprünglich war der BetaStick von den Erfindern ja als Hilfe für den Notfall gedacht. Vor allem südlichere Klettergefilde wurden gut be“stickt“. Beta Climbing Designs wurde von Si Berry und Ian Barnes zur Jahrtausendwende gegründet. „The BetaStick“ vermarktete sich fast von selbst: Der typische blaue „Kopf“ des Helfers prägte sich vor allem Kletterern ein, die sich nicht von Haken zu Haken helfen konnten. Abhilfe schaffte da dann der schnell erworbene Betastick. So machte der Clipstick seine Runde, denn bekanntlich sind Kletterer auch Nomaden: Der Clipstick wurde global bekannt und die Gründer nehmen noch weitere Produkte rund ums Klettern in ihrem Sortiment auf.

Clipstick Betastick – für fiese Einstiege und weite Hakenabstände?

Der Stick schafft ein sicheres Gefühl auf den ersten Metern, wenn der erste Haken gefühlte fünf Meter vom Boden entfernt entgegen grinst. Oder die Nerven ausgerechnet an dem Tag versagen, an dem die Traumlinie vor einem emporragt oder man sich zum X-ten Mal an dem Schlüsselzug versucht hat und wieder und wieder nicht darüberklettert, da der letzte Haken gefühlte zehn Meter unter den Füßen blinkt. Letztlich ist der Clipstick eine Einstellungssache. Denn am Ende, wenn man die Tour ohne vorgeklippte Haken rotpunkt klettern möchte, bleibt der Stick ja unten und alle zuvor durch den Clipstick ausgeglichenen Probleme müssen selbst gemeistert werden. 

Ich habe mich für den BetaStick Standard entscheiden. Der hat eine maximalen Länge von 3,41 Metern. Das Packmaß beträgt stattliche 83 Zentimeter und wiegt 540 Gramm. Für den Transport kann man ihn mit der vorgesehenen Klemme einfach an jedem Rucksack oder Klettergurt befestigen. Mit dieser Länge kommt man normalerweise zum ersten Haken und in den meisten Touren auch gut weiter von Haken zu Haken.

Betastick Clipstick Test in der Praxis

In der Anwendung simpel legt man mit ein paar schnellen Handgriffen die Expressschlinge in den Kopf des Sticks, platziert die Expressschlinge und lässt den Schnapper von der Feder halten. Um den BetaStick zu verlängern, wird einfach das dickste Element festgehalten und nacheinander, je nach gewünschter Länge, gegen den Uhrzeigersinn Element nach Element herausgezogen. Genaus wie einem Teleskop-Stock. Zum Schluss werden die einzelnen Stangen wieder mit einer Drehung im Uhrzeiger befestigt.

Der ergonomische Kopf fixiert die Karabiner auch beim Anheben mit dem Seil in der Expresse sicher und hält sie mit einem Federmechanismus geöffnet. So ist es möglich bequem von unten den ersten Haken zu clippen. Wichtig ist natürlich, dass genug Seil durch die im BetaStick hängende Expresse gezogen wird. Das Seilende sollte auf jeden Fall den Boden berühren. Die Erfahrung, die ich gemacht habe, ist diese: Der Betastick Standard hat vier Elemente, die wie bei einer Babuschka- Puppe immer dünner werden. Klar die müssen ja auch ineinander passen. Je dünner also diese Elemente sind, desto biegsamer und schwächer werden sie. Es ist also zu empfehlen, immer erst die dickeren auszufahren und dann erst die dünneren Elemente herauszuholen.

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Wer den Betastick zu seiner ganzen Länge ausfährt, fühlt sich wie ein Angler auf hoher See und braucht schon ein wenig Geduld – aber sicherer macht er das Klettern in manchen Situationen schon. | Foto: Anna Ternes

Auch sind die letzten zwei Glieder sehr anfällig sich zu verbiegen, da der Seilzug von unten beim Einhängen die letzte bzw. die oberste Stange nach unten zieht. Nicht zu verachten ist die enorme Geduld und Vorsicht, die man bei diesem Handling an den Tag legen muss. Manchmal kommt man sich vor man wäre beim Angeln oder Fliegenfischen. Es kann zum Teil eine Weile dauern, bis der Haken geklippt ist. Bei Einstiegen mit gefährlichen Abständen ist das aber allemal besser als ein gebrochenes Kreuz oder ein ramponierter Sicherungsmann, oder?

Wiregate-Karabiner und Metolius Griffbürste

Gerade mit älteren Expressen verweigert der Clipstick seine Zusammenarbeit. Am besten funktionieren Karabiner, deren Schnapper breiter ist als ihr Rücken. Wie zum Beispiel alle gängigen Wiregate-Karabiner. Im Lieferumfang enthalten ist eine Metolius M16 Griffbürste. Diese wird in einen Schlitz am Kopf des Betasticks gesteckt und mit dem Klettband (das ebenfalls am Kopf des Sticks zu finden ist) fixiert. Damit kann überschüssiges Magnesia oder Dreck, der sich nach den langen Wintermonaten am Fels sammelt,  entfernt werden. Die Bürste liegt schräg im Clipstick, um das Putzen von Leisten und Auflegern zu optimieren. Es gilt dasselbe zu beachten wie beim Vorclippen: Höchstens die ersten zwei bis drei der Elemente ausfahren! Die Druckkraft schwindet mit jedem Zentimeter und die Griffe lassen sich kaum noch säubern. Es fühlt sich an, als ob man versucht, mit einer Angel und einer Bürste am Ende die Zähne zu putzen – ich würde ausschlagen! Auch hilft der BetaStick, die Verwüstungen am Felsen in Grenzen zu halten. Dann hat man den Stick dabei, muss man keine jungen Bäume mehr absägen oder abbrechen (wie man es ja leider oft sieht), um sich einen provisorischen Clipstick zu basteln oder einen hohen Griff zu bürsten.

Alles in allem ist der BetaStick eine gute Sache, um sicherer unterwegs zu sein, sich auch mal in schwerere Gefilde vorzuwagen und das Training zu optimieren. Ich habe in den vier Testwochen doch einige Schlüsselstellen schneller ausbouldern können als ohne ihn. An einigen Tagen half er auch einfach nur als psychische Stütze im Rucksack. Am Ende muss man aber auch die Tour ohne ihn klettern; sich den halben Tag mit seinem Clipstick in einer für einen selber viel zu schweren Tour zu vergnügen und anderen Kletterern im wahrsten Sinne des Wortes die Tour zu vermiesen, muss wirklich nicht sein! Es heißt ja auch Sportklettern und nicht Sportklippen – ein fairer Umgang ist nach wie vor wichtig.

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