Neun Tage, 8.500 Höhenmeter, 100 Kilometer auf Tourenski und dann thront er vor ihnen: Der 3.083 Meter hohe Qoernet el Swada, der höchste Berg des Nahen Ostens. Unter ihnen schneebedeckte Gipfel, am Horizont das Meer. Sie sind am Ende ihrer Kräfte aber überglücklich. Nico und Luggi haben sich ihren Traum erfüllt und auf Tourenski das Hochgebirge des Nahen Ostens überquert.
Nico Brixle
„Ihr wollt Skifahren gehen im Libanon?”
Das war die häufigste, verwunderte Frage, wenn sie von ihrem Wunschziel erzählten. Wer an den Libanon denkt, denkt an den Nahostkonflikt, an trockene Hitze, verdorrte Sträucher, alte, historische Bauwerke, vielleicht noch an Falafel. An Skifahren denkt zunächst niemand. Tatsächlich aber sind hier, wie in einer künstlich erschaffenen Traumwelt, Berge und Meer so nah zusammen, dass Schneedecken und Palmen nur eine Autostunde voneinander entfernt sind.
Verliebt in das Land mit seinen Gegensätzen und Möglichkeiten hat sich Nico im Auslandssemester in Beirut. Als leidenschaftlicher Skifahrer hat ihn seit dem einen Besuch im libanesischen Gebirge ein Gedanke nicht mehr losgelassen: Dort Skitouren und Freeriden zu gehen. Da Nico und Luggi schon diverse Abenteuer zusammen erlebt hatten, musste auch Luggi nicht lange von diesem außergewöhnlichen Vorhaben überzeugt werden.
Das Abenteuer startet
Nach Monaten der Planung und Vorbereitung landen sie im Februar 2019 in Beirut, der Hauptstadt des Landes. Der Libanon, auch die „Schweiz des Nahen Ostens“ genannt, ist Finanzhochburg und vor ihnen türmen sich Wolkenkratzer mit futuristischer Glasverkleidung. Dort treffen sie Halim, Nicos libanesischen Freund, der sie bei ihrem Abenteuer begleitet. Halim ist ein erfahrener Tourengeher, aber einem solchen Wagnis hat auch er sich noch nie gestellt und ist deshalb gespannt und bereit, neue Seiten seines Heimatlands zu entdecken.
Da sind sie also: Drei Männer, ein Zelt, Proviant für elf Tage, drei Powerbanks, zwei Solarplatten, drei Kameras und eine Drohne. Das sind insgesamt 25 Kilogramm Gepäck für jeden und die Reise beginnt. Sie starten auf 1.500 Höhenmeter in Mzaar, dem größten Skigebiet des Landes, das Luggi an ein Nobelskigebiet in den Alpen erinnert. Der erste Anstieg führt in Richtung des großen Kessels „Grande Coulée” und schon der Start des geplanten zehntägigen Abenteuers verläuft ganz anders als erwartet. In der ersten Nacht tobt ein Schneesturm und minus 15 Grad Celsius lassen sie im Zelt eng zusammenrücken.
Nico Brixle
Schneestürme am zweiten Tag
Trotz guter Wettervorhersage erwachen sie am zweiten Tag in dichten Wolkenschleiern mit immer wiederkehrenden Schneestürmen. Sie haben keine andere Wahl, als im Zelt abzuwarten, Karten zu spielen und Tee zu trinken, alles andere als die erwartete abenteuerliche Skitour. Doch die Stunden des Wartens werden am Tag darauf mit einem traumhaften Skitag belohnt. Bei goldenem Morgenlicht ziehen sie die ersten Linien im feinen Pulverschnee.
Nico Brixle
Nico Brixle
Auf die atemberaubend schöne Abfahrt folgen bis zur Abenddämmerung vier Stunden GPS-Navigation durch dichten Nebel. Mittlerweile hat sich eine Routine eingespielt: Sobald die Sonne untergegangen ist, schlagen sie schnellstmöglich ihr Zelt auf, da die Temperaturen von plus 15 Grad Celsius am Tag auf -15 Grad in der Nacht schnell sinken. Das reichhaltige „Instant-Chilli“ wird zubereitet und schon gegen 19:30 Uhr rollen sie in ihren Schlafsäcken zusammen. Am Morgen klingelt um 5:00 Uhr der Wecker, nach dem Frühstück erfolgt der Zeltabbau und die Rucksäcke werden neu gepackt.
Zeitzeugen der Geschichte des Landes
Die Tour wird fortgesetzt und den beiden wird immer wieder bewusst, dass dieses Gebirge nicht mit ihren heimischen Bergen vergleichbar ist. Hier, unter der Schneedecke begraben, befinden sich Zeitzeugen der „eisigen“ Geschichte des Landes: Alte zerfallene Bunker erinnern an den Bürgerkrieg zwischen Christen und Muslimen in den Jahren von 1975 bis 1990 und auch der Blick über die Grenze nach Syrien bringt Luggi wiederholt zum Nachdenken.
Nico Brixle
Sie erreichen das Bergdorf Aaqoura, wo sich Luggi und Nico von Halim nach fünf kräftezehrenden Tagen und einer Erfrierung an der Zehenspitze verabschieden müssen, da er für seine Arbeit nach Beirut zurück muss. Ein wenig sind die beiden auch neidisch, dass ihr Freund die Nächte nun wieder im warmen, gemütlichen Bett verbringen darf. Zu zweit und mit deutlich schwererem Gepäck machen sie sich weiter auf in Richtung Norden. Eine Strecke, die durch eine an Dünen erinnernde Felswüstenlandschaft führt und sie durch das ständige Auf und Ab den Weg und das Leben schwer macht. Es gibt keine schützenden Bäume oder Felsvorsprünge, wodurch sie durchgehend der prallen Sonne ausgeliefert sind. Um genügend Schnee zum Trinken und für ihr Mittagessen zu schmelzen, sind sie zu ausgedehnten Pausen gezwungen.
Powder ohne Ende
Im Norden des Landes in der Nähe des zweitgrößten libanesischen Skigebietes finden sie nach Tagen des Auf und Ab endlich Bilderbuch-Abfahrten mit perfektem Powder. Der etwas feuchte Mittelmeer-Neuschnee hat sich gut mit den unteren Schichten verbunden, wodurch das Risiko für Lawinen gering ist. Die weiten Nordhänge mit kleinen Sprüngen lassen Luggi alle Anstrengungen der letzten Tage vergessen und zaubern ihm ein Freudenstahlen ins Gesicht.
Nico Brixle
Nico Brixle
Doch auf ein Hoch folgt wieder ein Tief. In der folgenden Nacht läuft bei eisiger Kälte Luggi’s Thermosflasche in seinem Schlafsack aus. Nach einem kurzen Anfall von Panik aus Angst vor dem Erfrieren fällt ihm ein, dass er sich einen Biwaksack mitgebracht hat, mit dem er sich in den nassen Schlafsack legen kann. Ungemütlich aber zumindest etwas geschützt vor den Minusgraden, findet er für einige Stunden Schlaf.
Nico Brixle
Der Endgegner: Qoernet el Sawda
Am Tag acht ihrer Reise nehmen sie Kurs auf den „Endgegner“: den 3.083 hohen Qoernet el Sawda. Zwei schweißtreibende Tage, an denen ihnen zunehmend die Mittagshitze zu schaffen macht, die den Schnee pappig werden lässt, sodass sich schwere Stollen an ihren Tourenfellen bilden, stehen ihnen bevor. Die Kommunikation zwischen Nico und Luggi beschränkt sich nur noch auf das Nötigste.
Endlich erreichen sie den Gipfel. Ein unbeschreibliches Gefühl: Erschöpft, aber gleichzeitig federleicht und überglücklich! Jetzt haben sie es endlich geschafft und sind die höchsten Menschen des Nahen Ostens. Als vermutlich Erste haben sie das libanesische Gebirge von Süden nach Norden mit Tourenski überquert. Die Vorstellung so hoch über dem Orient zu thronen scheint immer noch unbegreiflich.
Nico Brixle
Nun liegt eine Abfahrt von 2.000 Höhenmeter zu den größten libanesischen Zedernwäldern vor ihnen, wo sie sich am Ende des langen Abenteurers – ganz bayrisch – ein Bier teilen, das sie die Reise über begleitet hatte. Wie Außerirdische, gestrandet auf einem fremden Planeten laufen sie in Skiausrüstung durch das Bergdorf Ehden, vorbei an Einheimischen und orientalischer Architektur.
Nico Brixle
Nach zehn Tagen und 120 Kilometer auf Ski im libanesischen Hinterland sprühen sie voller Stolz und Euphorie: Sie sind nicht nur am Ende aller Kräfte, sondern auch am Ziel ihrer Reise, ein Traum wurde wahr.
Der komplette Film wird Ende des Jahres auf Youtube veröffentlicht. Einen kleinen Vorgeschmack auf das was im Film zu sehen ist, seht ihr im Trailer Projekt „Crossing Lebanon“.
Video: Trailer „Crossing Lebanon“
Unterstützt wurden die beiden bei ihrem Abenteuer von den Marken Völkl, Marker & Dalbello. Schau jetzt im Markenshop von Völkl vorbei und entdecke die neuesten Tourenski der Marke aus Bayern.