Birkkarspitze, Lamsenspitze, Pleisenspitze, Schafreuter – das sind vier Beispiele für Karwendelberge, die (fast) jeder kennt. Speziell in den Randgebieten des Kalkgebirges sowie an der bayerisch-tirolerischen Grenze finden sich jedoch Bergtouren, die lang nicht so überlaufen sind und alpinen Conaisseuren und Einsamkeitsfanatikern schöne Gipfelerlebnisse bescheren.
Speziell im Herbst bietet das Karwendel eine Vielzahl schöner Bergtouren. Die Blätter färben sich bereits, die Luft ist klar, man hat viele Ecken der Gebirsregion in den Nordalpen für sich alleine. Wer dann noch weiß, wo die schönsten Pfade zu finden sind, wird einen unvergesslichen Tag in den Bergen verleben.
1. Über den Ochsenkopf auf die Rappenspitze
Diese Tour hoch über dem Achensee eröffnet unser Touren-Dreierpack. Die Rappenspitze steht zu Unrecht im Schatten von prominenteren Nachbarn wie dem Sonnjoch oder der Lamsenspitze, denn auch sie eröffnet einen ausgezeichneten Blick auf das Inntal, die Tuxer und Zillertaler Alpen sowie die höheren Karwendelberge. Allzu gerne lässt man den Kamm zwischen Stanser Joch und Rauhem Knöll links (oder rechts) liegen und steuert die höheren Karwendelgipfel rund um die Lamsenjochhütte an. Dabei lässt sich hier eine ausgezeichnete Rundtour umsetzen.
Start der Tour ist in Pertisau am Achensee. Nun hat man die Qual der Wahl – entweder mit der Bahn auf den Zwölferkopf um rund 500 Höhenmeter zu verkürzen – oder „by fair means“ über den „Tunnelweg“ Richtung Bärenbad- und Weißenbachalm.
Egal, ob man nun mit der Karwendel-Bergbahn auf den Zwölferkopf fährt oder von ganz unten zu Fuß startet – an der 1.457 Meter hoch gelegenen Bärenbadalm (bzw. knapp unterhalb) treffen die beiden Routen wieder aufeinander. Ganz eifrige Bergsteiger nehmen noch den 1.991 Meter hohen Bärenkopf mit, alle anderen steuern über einen steilen, kehrenreichen Steig direkt den Kamm an, der vom Stanser Joch Richtung Ochsenkopf zieht.
Den 2.148 Meter hohen Gipfel des Ochsenkopf erreichen wir schließlich 2,5 Stunden ab Pertisau (ohne Benutzung der Bahn). Wer früh im Morgentau unterwegs ist, trifft hier womöglich einen Bergsalamander. Die Aussicht ist bei gutem Wetter umwerfend, 1.600 Meter weiter unten liegt Schwaz im Inntal, vis à vis der Eingang zum Zillertal mit den Tuxer Alpen, im Osten grüßt der Rofan.
Nun geht es munter weiter, die Gipfel von Gamskarspitze und Kaserjoch werden rechts liegen gelassen, und wir erreichen nach einer langen Hangquerung einen kleinen Sattel und damit den Einstieg zum Nauderer Kar, in dem sich – zumindest nach ergiebigem Regen – ein Tümpel versteckt. Um die Rappenspitze zu erreichen, folgt man am besten im obersten Bereich des Nauderer Kars recht deutlichen Wegspuren nach Westen und quert schließlich steil hinauf zum Normalweg. Überraschend mühelos erreichen wir über einen zum Schluss steilen Steig den 2.223 Meter hohen Gipfel und damit den Höhepunkt der Tour.
Der Rückweg erfolgt nun zu Beginn über die Anstiegroute, ehe wir uns an der Abzweigung im obersten Nauderer Kar nach links wenden und dem abwechslungsreichen, steilen Steig hinab zur Dristlalm folgen. Kurz vor der Alm gibt es nochmal einen kleinen Gegenanstieg, schließlich erreichen wir an der Falzthurnalm den gleichnamigen Talboden. Über eine Teerstraße und einen ebenfalls asphaltierten Fußweg geht es schließlich bequem zurück zum Ausgangspunkt.
Tourdaten:
- Ausgangspunkt: Pertisau (930 Meter)
- Gipfel: Ochsenkopf (2.148 Meter); Rappenspitze (2.223 Meter)
- Höhenmeter: ca. 1.700 HM (ohne Bahn); ca. 1.200 HM (mit Bahn)
- Entfernung: ca. 21 km (ohne Bahn); 17 km (mit Bahn)
- Zeitaufwand: ca. 7-8 Stunden (ohne Bahn)
- Übernachtungsmöglichkeit/Hütte: keine
GPS-Track und Karte der Bergtour mit Benutzung der Karwendel-Bergbahn:
2. Bike and Hike-Tour auf Grasberg und Hölzelstaljoch
Startplatz für diese schöne Bike&Hike-Tour ist Fall am Sylvensteinspeicher. Gleich zu Beginn sei angemerkt, dass man die beiden Gipfel auch zügiger vom Rißtal aus im Rahmen einer Überschreitung „abhaken“ kann. So wie hier beschrieben ist die Tour jedoch ungleich einsamer und landschaftlich abwechslungsreicher. Sie führt in einen abgelegenen Winkel des Vorkarwendel – das Bächental. Das Tal gehört mit seinen zahllosen Almen zwar zu Tirol, der Hauptzugang erfolgt allerdings vom bayerischen Fall aus.
Von Fall radelt man gemütlich die zunächst geteerte Fahrstraße in das Bächental. Die Dürrach wird auf hoher Brücke gequert, die Grenze zu Österreich und das Forsthaus Aquila zunächst links liegen gelassen – die Einkehr in die Gastwirtschaft hebt man sich am besten für den Rückweg auf. Hat man den kleinen Dürrach-Stausee erreicht, wird der Plumsbach auf einer Brücke gequert. Achtung: Ab hier ist Radfahren offiziell verboten! Doch wie heißt es so schön: wer sein Rad liebt, der schiebt….
Man folgt nun dem Baumgartenbach einige hundert Meter nach Westen, ehe man das Rad kurz hinter dem Jagdhaus Pletzboden am Beginn einer steileren Rampe versteckt – jetzt heißt es, zu Fuß weiterzugehen. Wir folgen nun dem zunächst noch gut unterhaltenen Fahrweg am Eiskönigbach entlang nach Süden. Eine Wildfütterung wird gequert (Achtung, falls sich Schneeschuhgeher und Winterbergsteiger unter den Lesern befinden: im Winter ist ein Durchwandern dieses Tals wegen der großen Wildfütterung verboten!!!) und der Fahrweg verwandelt sich schließlich in einen traumhaften Bergpfad, der sich durch Latschen in den einsamen „Karlkessel“ schlängelt. Links oben liegt die einsame Eiskastenalm, die den Wanderer allein schon wegen ihrer urigen Optik in eine andere Ära versetzt.
Bald ist die 1.540 Meter hohe Grasbergalm erreicht und der Blick auf die höheren Karwendelberge rund um das Johannistal öffnet sich. Nach einer Pause an der Alm geht es weiter, den zunächst noch recht breiten Südrücken hinauf zum zahmen Wandergipfel des 2.020 Meter hohen Grasbergs. Bei Altschnee kann die Routenfindung im Frühjahr etwas schwierig werden, denn hier gibt es zahlreiche Steigspuren und Wildwechsel! Am besten Karte oder GPS mitführen.
Nach dem Grasberg folgt man dem schrofigen Gratverlauf hinab in den Sattel Richtung Hölzelstaljoch. Eine kurze seilversicherte Stelle hilft, und schon bald stehen wir auf dem 2.012 Meter hohen zweiten Gipfel der Rundtour.
Wer möchte, kann nun auch noch die 2.026 Meter hohe Fleischbank dranhängen, sonst folgt man dem Weg, der nach Nordwesten in den Karkessel der Ochsentalalm hinabführt. Der Rückweg zu den Rädern erfolgt nun auf der kürzesten Strecke über die Jagdhütte Roßangerl und den Hochstall-Niederleger, der schon in unmittelbarer Nähe des Baumgartenbachs liegt.
Tourdaten Bike:
- Ausgangspunkt: Fall am Sylvensteinspeicher (773 Meter)
- Endpunkt: Jagdhaus Pletzboden (971 Meter)
- Höhenmeter: 220
- Kilometer (hin&zurück): ca. 25
- Zeit: ca. 1 h bergauf, ca. 20 Minuten bergab
ACHTUNG: Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass das Mountainbiken auf den letzten zwei Kilometern ab der Plumsbach-Brücke bis zum Pletzboden nicht gestattet ist!
Bikeroute von Fall bis zum Pletzboden:
Tourdaten Bergtour:
- Ausgangspunkt: Jagdhaus Pletzboden (971 Meter)
- Gipfel: Grasberg (2.020 Meter); Hölzelstaljoch (2.012 Meter)
- Höhenmeter: 1.200
- Kilometer: 17,5
- Zeit: etwa 6 Stunden
- Übernachtungsmöglichkeit/Hütte: keine
Wanderroute ab Pletzboden:
3. Überschreitung Galgenstangenkopf-Gumpenkarspitze
Diese lange Bergtour im Vorkarwendel und der Soierngruppe ist nur etwas für Konditionsstarke. Wer jedoch die Mühen in Kauf nimmt, wird mit einer überragenden Aussicht auf die Nördliche Karwendelkette, die Voralpenberge und auf einsame Kare und Felsfluchten entlohnt. Von der Tatsache ganz zu schweigen, dass man auf dieser Tour nicht weniger als fünf ausgewachsene Gipfel „mitnimmt“.
Startpunkt der Tour ist ein kleiner, unscheinbarer Parkplatz im Rißtal (822 m). Er befindet sich an der Stelle, an der die Teerstraße zwischen Vorder- und Hinterriss das erste Mal Richtung Oswaldhütte eine stärkere Steigung aufweist.
HINWEIS: Das Parken ist hier nur auf sehr begrenztem Raum möglich. Der ehemals vorhandene „Parkplatz“ an der Fahrstraße Richtung Dürrachtal/Paindl existiert nicht mehr!
Nun wird der meist trocken liegende Rißbach (knapp oberhalb der Brücke verschluckt der Stollen Richtung Walchensee sein Wasser) gequert. Man folgt der breiten Fahrstraße zunächst in südwestliche Richtung, ehe man die Jagd- und Almhütten von Paindl rechts liegen lässt und dem Fahrweg, der später zum kleinen Bergpfad wird, Richtung Fereinalm folgt.
Nun heißt es aufpassen! Etwa einen Kilometer nach Paindl darf man den kleinen Steig, der scharf rechts Richtung Galgenstangenjoch abzweigt, nicht verpassen. Im gemächlichen Zick-Zack geht es hinauf, man erreicht auf einer Lichtung die soganennte „Grafenherberge“ (1.464 Meter) und setzt die Wanderung auf einem verwinkelten Steig fort, der bald die Waldgrenze zurücklässt. Wer den ersten Gipfel der Tour, den 1.806 Meter hohen Galgenstangenkopf, mitnehmen möchte, muss kurz nach rechts ausscheren und einem kleinen, versteckten Pfad folgen. Schon hier öffnet sich ein überwältigender Blick auf die höheren Karwendelberge wie Vogelkar- und Östliche Karwendelspitze, vom restlichen Panorama mit Benediktenwand, Schafreuter, Vorderskopf und Konsorten ganz zu schweigen.
Stets auf dem Gratrücken geht es nun weiter zum 1.851 Meter hohen Fermerskopf und hinab in eine Einschartung, nach der die 1.909 Meter hohe Baierkarspitze erreicht wird. Bis hier ist die Route eine einfache Bergwanderung. Nun folgt der Übergang zur felsigeren Dreierspitze, deren 1.962 Meter hoher Ostgipfel mit etwas Kraxelei erreicht wird. Knapp zehn Kilometer Gehstrecke und etwas mehr als vier Wanderstunden sind bereits absolviert.
Ab hier sollte man über ein gerüttelt Maß an Trittsicherheit verfügen, denn der felsige Gipfelaufbau des ersten Zweitausenders der Runde, der 2.109 Meter hohen Krapfenkarspitze, verlangt nach sicherer Steigarbeit. Hat man schließlich den Gipfel erreicht, ist gleichzeitig der Höhepunkt abgehakt. Hier also am besten Zeit lassen und Pause machen!
Der letzte Gipfel unserer Tour, die 2.019 Meter hohe Gumpenkarspitze, wird über einen schrofigen, selten begangenen Grat erreicht, der erneut etwas Trittsicherheit erfordert. Zwar erreichen die Schwierigkeiten kaum den Grad UIAA I, doch für den brüchigen, leicht ausgesetzten Gratrücken sollte man über ein gewisses Maß an Bergerfahrung und „Fußspitzengefühl“ für das berühmt-berüchtigte Karwendelgebrösel besitzen. Versierte Bergsteiger bremst dieser Abschnitt jedoch kaum aus, und so erreicht man den letzten Gipfel, der einen umfassenden Blick in den Soiernkessel mit seinen Seen und seiner zauberhaften Umrahmung öffnet.
Übernachten – oder direkt zurück?
Hier hat man zwei Möglichkeiten. Entweder man steigt über den südlich der Gumpenkarspitze gelegenen Sattel (1.894 Meter) zum Soiernhaus ab und verbringt in der wunderschön gelegenen Hütte der DAV-Sektion Hochland eine geruhsame Nacht. Der Abstieg zum Ausgangspunkt würde in diesem Fall über das Fischbachtal erfolgen. Die Wanderung zum Auto via Soiernweg und Fischbach-Querung am Wehr oberhalb des Rißbachs ist für versierte Kartenleser und GPS-Nutzer kein Problem (siehe GPS-Track Variante II).
Oder man wendet sich am oben genannten Sattel nach Osten, um zunächst über den markierten Weg die auf knapp über 1.700 Meter gelegene Abzweigung auf den „Jägersteig“ zu erreichen. Dieser führt einsam – zunächst auf Höhenlinie – auf den Südostrücken der Dreierspitze. Über diesen erreicht man, kehrenreich und steil, bei p. 1.108 den Verbindungsweg Rißtal-Fereinalm.
Auf diesem abwechslungsreichen Steig quert man zahlreiche Bachläufe und kleine Canyons und erreicht schließlich wieder die Abzweigung zur Grafenherberge. Von hier wie eingangs beschrieben zurück zum Auto (siehe GPS-Track Variante I).
Tourdaten und Infos zu Variante I:
- Ausgangspunkt: Parkplatz im Rißtal (822 Meter)
- Gipfel: Galgenstangenjoch (1.806 Meter), Fermerskopf (1.851 Meter), Baierkarspitze (1.909 Meter) Dreierspitze (1.962 Meter), Krapfenkarspitze (2.109 Meter), Gumpenkarspitze (2.019 Meter)
- Höhenmeter: 1.640
- Kilometer: 24,5
- Zeit: etwa 8-10 Stunden
- Übernachtungsmöglichkeit/Hütte: keine
GPS-Track der Variante I (ohne Übernachtung im Soiernhaus):
Tourdaten und Infos zu Variante II:
- Ausgangspunkt: wie oben
- Gipfel: wie oben
- Höhenmeter: 1.730
- Kilometer: 28
- Zeit: 10-11 Stunden
- Übernachtungsmöglichkeit/Hütte: Soiernhaus der DAV-Sektion Hochland
GPS-Track der Variante I (mit Übernachtung im Soiernhaus):
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