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Das vertikale Paradies

Drei Zinnen: Klettern in den Sextner Dolomiten

8 Minuten Lesezeit
Von Süden unscheinbar, von Norden drei der bekanntesten Zacken der Alpen: die Drei Zinnen. Das Klettern am steilen Dolomitenfels gehört zu den Klassikern der Alpen. Nicht umsonst scharen sich die Kletterer in manchen Routen schon am frühen Morgen.

Der Prototyp eines Berges in den Alpen ist gewiss das Matterhorn. Gäbe es ein Ranking, würden bald die Drei Zinnen folgen. Sicherlich gibt es in den Alpen zahlreiche weitere beeindruckende Gipfel, die aber in ihrer Dominanz selten so beeindrucken. Allerdings: So richtig beeindruckend ist an den drei Zinnen vor allem die Nordseite. Ausgenommen von der Kleinen Zinne. Als wir bei meinem ersten Besuch in Sexten die Straße zur Auronzo-Hütte hochkurvten, stellte sich mir die Frage, wo denn eigentlich diese Drei Zinnen sind. Zu unscheinbar ist deren Südseite. Erst am Parkplatz wurde mir klar, dass die wahrlich unbeeindruckenden Schutthaufen vor uns wohl die weltberühmten Drei Zinnen sein mussten.

Drei Zinnen – Klettern im vertikalen Paradies

Die Drei Zinnen sind das Wahrzeichen der Sextener Domlomiten. Rundherum gibt es zahlreiche Klettersteige zu entdecken. | Foto: Südtirol Marketing/Helmuth Rier
Die Drei Zinnen sind das Wahrzeichen der Sextener Dolomiten. Rundherum gibt es zahlreiche Klettersteige zu entdecken. | Foto: Südtirol Marketing/Helmuth Rier

Spätestens wenn der Patternsattel erreicht ist und sich die Nordwände fast im Profil zeigen, bekommt der kletternde Besucher beim Anblick der Drei Zinnen feuchte Finger. An den anderen der sechs großen Nordwände der Alpen, mal ausgenommen vom Badile, drückt das Ambiente anfänglich immer etwas auf das Gemüt. Aber an den Drei Zinnen will man einfach nur klettern! Und das am besten noch weit vor Tagesanbruch. Anders ist mir das Phänomen nicht erklärbar, wie sich bereits in der Früh manche Seilschaften im beliebten Klassiker Comici in der Wandmitte befinden.

Der Routenverlauf, von den Nachzüglern bis zur ersten Seilschaft in der Pole-Position, lässt sich anhand der zahlreichen bunten Seile des Pelotons gut erkennen. Mittlerer Ring in München während dem Berufsverkehr. Etwas ruhiger geht es meist in der Cassin zu, die einen imposanten Quergang oberhalb des Baur-Dachs zu bieten hat. Doch bieten beide Touren tolle Klettermeter bei moderaten Schwierigkeiten und einer relativ guten Absicherung klassischer Art.

Der frühe Vogel klettert zuerst

Ein Kletterer vor den Drei Zinnen im Morgenlicht.
Wer an den Drei Zinnen klettert, sollte sich früh auf den Weg zum Fels machen. | Foto: Franz Mösbauer

Das Phänomen der frühen Seilschaft lichtet sich mir etwas, als wir noch im Schlafsack auf dem Parkplatz liegen und uns in der stockfinsteren Nacht das erste ankommende Auto ins Gesicht leuchtet. Eine halbe Stunde Packen, dann kehrte wieder Ruhe ein. Für gefühlte fünf Minuten. Dann das nächste Auto.

Dies hört nicht auf, bis wir uns schließlich um sechs Uhr morgens aus den Schlafsäcken schälen. Wir ernten den verständnislosen Blick eines Bergführers, der mit seinen Gästen über den Normalweg zur Großen Zinne will, während wir ihm noch im Schlafsack liegend erklären, dass unser heutiges Ziel die Schweizer Führe an der Westlichen Zinne sei. Sind wir schon zu spät dran? Erstmal Kaffee kochen!

Routen-Klassiker an der Westlichen und Großen Zinne

Schweizer Führe

Die Schweizer Führe ist neben der Hasse/Brandler der zweite große Klassiker und beide Touren bieten neben einem genialen Ambiente und ebensolcher Kletterei auch noch Pausen-Punkte. Angeblich folgte wohl in der Schweizer Führe Anfang 2012, während der Erdbeben in Italien, eine Seillänge im Baur-Dach der Schwerkraft nach unten. Schade eigentlich, denn bereits die ersten Längen mit dem riesigen, fast 40 Meter ausladenden Baur-Dach über den Helmen sind unglaublich. Das Dach selber wird in steiler, aber relativ leichter und griffiger Kletterei überwunden, gefolgt von der Schlüssellänge durch eine kompakte Wand. Sobald die Cassin erreicht ist, hat man das Schwerste hinter sich.

Hasse/Brandler und ISO 2000

Fast noch beeindruckender ist die Hasse/Brandler, welche über 500 Höhenmeter durch die steile Nordwand der Großen Zinne führt. Ähnlich schwer, nur qualitativ besser abgesichert, ist die ISO 2000 in der direkten Nachbarschaft zur Comici. Neben Normalhaken stecken in der ISO 2000 vielfach Bolts und es kommt fast ein wenig Sportkletterfeeling auf – wären nicht die teils sportlichen Abstände.

Phantom

Kletterern, die sich ab dem alpinen 9. Grad wohlfühlen, bieten die Drei Zinnen jede Menge Potential, um sich die Finger lang zu ziehen. Der Klassiker unter den zahlreichen Kletterrouten der Drei Zinnen dürfte das Phantom sein. Auch wenn sich über die Schwierigkeitsangabe streiten lässt, so ist die Kletterei unglaublich und unglaublich anhaltend. Die Absicherung ist teils anspruchsvoll, aber fair.

Leider seilen wohl viele Seilschaften am Ende der Schlüssellänge ab, da die Begehungsspuren auf den verbleibenden Längen bis zum Ringband deutlich abnehmen. Hier oben stellen wir schließlich fest, dass es ab und zu doch von Vorteil ist, früher zu starten. Zwar ist das Abendpanorama rund um die Drei Zinnen traumhaft, doch müssen wir nun bei Dämmerung noch über den nicht immer leicht zu findenden Normalweg runter zum Auto und zur Pizza nach Misurina.

Weitere anspruchsvolle Klettereien

Mit Touren wie zum Beispiel der Alpenliebe, der Pressknödel, der Camilotto Pellisier bis hin zu Alex Hubers Bellavista und PanAroma bieten die Drei Zinnen Kletterern eine riesige Auswahl an schweren Freiklettereien, die allesamt anspruchsvolle Klettermeter bieten.

Routen an der Kleinen Zinne und am Preußturm

Die Kapelle Madonna della Croda im Morgenlicht.
Morgenstund: Zustieg zum Patternsattel, vorbei an der Kapelle „Madonna della Croda“ auf der Südseite der Drei Zinnen. | Foto: Franz Mösbauer

Wenn man mal keine Lust hat, bei winterlichen Temperaturen in den Nordwänden zu frieren, bieten die Südwände der Kleinen Zinne und des Preuß-Turms sonnigen Fels. Schöne, sonnige Kletterei bietet hier die Cassin am Preußturm. An der Kleinen Zinne kann man sich einen weiteren Pausepunkt mit der klassischen Gelben Kante abholen. Steilen Fels, der den Nordwänden, abgesehen vom schattigen Ambiente, in nichts nach steht, findet man in der Ötzi trifft Yeti und den Perlen vor die Säue.

Die Ötzi ist von der Absicherung etwas alpiner angehaucht, dafür weniger anhaltend. Bei den Perlen wird es erst nach dem letzten Dach entspannt. Bis dorthin darf man sich über steile Leistenkletterei freuen.

Fazit zum Klettern an den Drei Zinnen

Nach getaner Arbeit schmeckt die wohlverdiente Pizza in Misurina noch besser. Und bislang war jeder Klettertag an den Drei Zinnen erlebnisreich. Entweder beim Beobachten und Wundern über die anderen Seilschaften oder beim Rätseln über die nächsten Klettermeter, weit oberhalb der letzten Sicherung. Nach dem Motto „Der Weg ist das Ziel“ gibt es jede Menge guter Gründe, diesen faszinierenden Bergen immer wieder einen Besuch abzustatten.

Übersicht: Kletterrouten an den Drei Zinnen

Als Topo ist der Führer „Drei Zinnen“ aus dem Verlag Versante Sud zu empfehlen. Nachfolgend eine Übersicht der mir bekannten Routen, welche allesamt lohnend waren.

Preußturm

  • Cassin (7-, 300m): Klassische Kletterei mit vielen Normalhaken und einigen interessanten Längen.

Kleine Zinne

Große Zinne

  • Normalweg (3+, 450m): zum Bericht einer Winterbegehung
  • Dibona-Kante (5+, 500m): Vielleicht die leichteste Kletterei im Bereich der Nordwände. Klassische Kletterei mit Normalhaken abgesichert.
  • Comici (7-, 550m): Der Klassiker an der Großen Zinne und fast immer voll. Gut mit Normalhaken abgesichert. Lohnend ist nicht nur bei Überfüllung der Constantini-Ausstieg.
  • Hasse-Brandler (8+, 550m): Ausgesetzte, tolle Kletterei, die inzwischen mit ein paar Bolts saniert wurde.
  • Iso 2000 (8+, 550m): Schöne, steile Kletterei mit Normalhaken und Bolts.
  • Phantom der Zinnen (9+, 550m): Super Tour mit anspruchsvollen Längen und einer fairen Absicherung mit Bolts. Die letzten leichteren Längen dann klassisch und öfters brüchig.

Westliche Zinne

  • Demuth-Kante (7, 450m): Schöne Kletterei in schattigem Ambiente und klassischer Absicherung mit Normalhaken.
  • Cassin (8+, 550m): Insbesondere beeindruckender Quergang über dem Baur-Dach. Gut mit Normalhaken abgesichert.
  • Schweizer Führe (9-, 500m): Beeindruckende, steile Kletterei entlang dem Baur-Dach, die gut mit Normalhaken und teils Bolts abgesichert ist. Angeblich ist aber die Tour nach einem Felssturz nicht mehr in ihrer ursprünglichen Form kletterbar!

Weitere Touren sind z.B. die Scoiattoli-Kante (8, 450m), Pressknödel (9, 480m), Akut (9+, 500m), Alpenliebe (9, 500m), Jean-Couzy (8a+, 500m), Camillotto-Pellisier (7c+/8a+, 300m), Bellavista (8c) oder PanAroma (8c).

Praktische Infos im Überblick

  • Gesteinsart: Dolomit/Kalk
  • Ausrüstung: Alpinkletter-Ausrüstung, an die jeweilige Route angepasst.
  • Anreise: Über die Brenner-Autobahn bis Brixen/Vahrn (Pustertal). Dann weiter bis Toblach. Hier auf der SS48b bis Misurina. Dann die mautpflichtige Straße bis zum Parkplatz des Rifugio Auronzo.
  • Übernachtung: Rifugio Auronzo oder Rifugio Lavaredo, notfalls kann man auch auf die weiter entfernte Dreizinnenhütte sowie zahlreiche Unterkünfte in Cortina oder Toblach ausweichen.
  • Beste Jahreszeit: Juni bis September
  • Kletterführer:
    • Svab/Renzi: Drei Zinnen (Versante Sud)
    • Dolomiten vertikal – Band Nord (Lobo Edition)
    • Eine überschaubare, aber schön aufbereitete Auswahl findet sich im Band Dolomiten von Gantzhorn/Willumeit (Panico)
  • Alles für die Absicherung beim Alpinklettern gibt’s bei Bergzeit

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