Wenn Kletterer über alte Kletterausrüstung sprechen oder schreiben, dann hat das oft etwas von verflossenen Liebesgeschichten: Hat irgendwie nicht gepasst, war fantastisch aber irgendwann nicht mehr da, hab das immer noch. Ich erspare Dir diesen Teil.
Jetzt hab ich ein neues – und bin ich mit dem Eagle Lite Protect Pro Dry unterwegs. Vor allem wenn es wilder wird, beim Trad-Klettern oder wenn ich mehr Sicherheitsreserven brauche.
- Allround-Seil mit Extra-Sicherheit für Trad- und Alpinklettern
- Mehr Sicherheit bei Kantenstürzen dank Aramid im Mantel
- Robust und mit Imprägnierung für lange Haltbarkeit
- In den Längen 30 bis 80 Meter erhältlich
- Gewicht 57 g/m; Durchmesser 9,5 mm
Zahlen, Daten, Fakten
- Gewicht: 57 Gramm/Meter: Das entspricht dem Gewicht der „einfachen“ Version des Eagle Lite Eco Dry. Hier würde ich wiederum auf den Einsatzbereich hinweisen. Mit 9,5 Millimetern ist das Eagle das „Arbeitspferd“ unter den Seilen. Zu dünn für ein reines Boulderseil, zu dick für ein Durchstiegsseil.
- Bluesign: Nachhaltige Zertifizierungen im Bereich der Hartwaren sind schwierig. Bluesign gehört im Bereich Hardware zu den wenigen Zertifizierungen, auf die ich als Verbraucher achten kann. In der Kombination mit den Bemühungen um das Recycling von alten Seilen gehört Edelrid hier immerhin zu den Herstellern, die sich um das Thema bemühen!
- Imprägnierung: Ich bin aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen zu einem vehementen Imprägnierungs-Befürworter bei Seilen geworden. Denn meiner Erfahrung nach behalten imprägnierte Seile deutlich länger ihr gutes Handling. Dass es im alpineren Gelände wichtig ist: geschenkt!
- Aramid im Mantel: Hier kommen wir zum Alleinstellungs-Merkmal, das dem Seil den Ehrentitel „Protect“ eingebracht hat. Dazu erst mal was Edelrid sich vom Aramidanteil verspricht: Das Seil soll durch den Aramidanteil weniger empfindlich bei Kantenstürzen sein. Und das ist natürlich bei schwierigen Seilverläufen beim Sportklettern, vor allem aber beim Alpin- und Tradklettern relevant!
Stefan Rehm
Stefan Rehm
Aramid im Mantel
Das Besondere am Eagle Lite Protect Pro Dry ist der Aramid-Anteil im Mantel. Vorteil: Aramid ist schnittfester als Polyamid. Das Thema Schnittfestigkeit ist natürlich im alpinen Gelände relevant, aber auch beim Sportklettern am Fels kann es immer wieder zu kritischen Situationen kommen.
Sobald der Kletterer seitlich über der letzten Zwischensicherung steht und eine Kante oder andere Felsstruktur hervorsteht, besteht bei einem Sturz die potentielle Gefahr einer Kantenbelastung.
Dazu ein Blick in die Statistik: Der DAV beschreibt insbesondere vier Szenarien für Seilrisse (n=53): 1. Steinschlag (6), eingeschliffene Karabiner (9), Säure (11) und – als häufigstes Szenario mit immerhin 43% – Felskanten (23). (Quelle)
Wer es etwas weniger trocken will, der schaue sich das Video von Michele Caminati in The Elder Statesman an. Vielleicht aber besser auch nicht.
Sicherere Produkte sollten nicht zu mehr Risikobereitschaft führen
Nur der Vollständigkeit halber, weil man es nicht oft genug sagen kann: Scharfe Kanten kommen auch in Fixexen vor, das Mittel der Wahl ist hier aber austauschen, nicht Aramid im Mantel. Ebenso ersetzt Aramid im Mantel keinen sicher gewählten Seilverlauf oder gegebenenfalls Ergänzung durch eine Redundanz (Halbseil).
Stefan Rehm
Das Handling des Eagle Lite Protect Pro Dry
Neue Seile sind immer etwas tückisch, sie fühlen sich meistens erst mal richtig gut an. Aber hier war ich gespannt, ob sich der Aramid-Anteil im Mantel im Handling bemerkbar machen würde.
Wie immer mit neuer Ausrüstung habe ich das Seil unter Laborbedingungen in der Halle getestet. Hier habe ich mir einmal das Sicherungsgeräte-Arsenal der Halle geschnappt und es neben meinem Grigri noch mit Fish, Jul² und Ergo Belay getestet. Das Seil ist im Handling etwas steifer als mein Vorgängerseil ohne Aramid im Mantel, lässt sich insgesamt jedoch gut bedienen. Es fühlt sich auf eine ungewohnte Weise etwas härter und glatter an.
Auch am Fels fühl sich das Seil gut an. Ich spüre hier (abgesehen vom Preis) keinen Unterschied zum Eagle Lite Pro, das immer noch als Hallenseil seine Dienste tut.
Über die Haltbarkeit des Seils muss ich an späterer Stelle wieder berichten, denn im August schlägt die große Stunde des Seils – ich werde es beim Tradklettern in Schweden testen. Wenn Du wissen willst, wie der aktuelle Verschleißstand ist, frag doch einfach in den Kommentaren nach.
Stefan Rehm
Ein Monat Test im schwedischen Granit
Im August 23 durfte das Eagle Lite Protect Pro Dry für einen Monat mit zum Klettern in Schweden. Hier sind es nicht die feinen Kalk-Sägezähnchen (siehe Bild oben), sondern scharfe Kanten und Kristalle, die oft noch deutlich seilmordender sind (siehe Bild unten).
Zahlreiche Linien – gerade in den unteren und mittleren Schwierigkeiten – müssen hier im Trad Stil selbst abgesichert werden. Und in den schwereren, überhängenden Sportkletterrouten warten etliche Kanten nur darauf, sich auf das Seil stürzen zu dürfen.
Stefan Rehm
Stefan Rehm
Hier bin ich etliche Male richtig froh über das Plus an Sicherheit im Mantel. Etwa als ich bei den scharfen Kristallen in Lexby oder den Rissen in Hallinden ein paar Meter über über dem letzten Friend stehe oder als mir in den Überhängen von Granitgrottan oder Korpaberget das Seil beim Abbauen trotz aller Vorsicht doch über den Fels ratscht. Denn natürlich versuche ich, durch Seilverlauf & Co. Gefahrenstellen für das Seil zu umgehen; aber ganz ausschließen lässt sich das im hakenlosen Gelände natürlich nicht.
Deshalb ist die Protect-Version meine klare Empfehlung fürs Trad- und Alpinklettern.
In Sachen Haltbarkeit und Handling läuft das Seil auch jetzt, nach geschätzten 25 Klettertagen, einwandfrei, nur ist es inzwischen nicht mehr so glänzend sauber. Verschleiß gibt es auch an den Seilenden trotz intensiver Bouldersessions keinen, nur eine Stelle habe ich beim Abbauen bei einem Ratschen etwas beschädigt – aber ehrlich gesagt war das genau eine der Situationen, wegen der ich Dir das Eagle Protect empfehlen würde.
Die Protect-Serie von Edelrid
Bisher gibt es von Seiten der UIAA keine gültige Norm zum Thema Kantensturz. Deshalb treiben Hersteller wie Edelrid oder Mammut dieses Thema voran. Edelrid bietet inzwischen vier Seile mit Protect-Kennzeichnung: Das 8,6 Millimeter dünne Swift, das Halbseil Starling (8,2 Millimeter), das Eagle Lite sowie die „Hilfsleine“ Rapline.
Wichtig: Wenn Du Dich hier für ein Seil entscheidest, wähle nach dem Einsatzbereich (Sportklettern Projekt, Alpinklettern, Sportklettern Allround, Alpinklettern Hilfsleine). Denn nach derzeitigem Stand ist der Seildurchmesser nicht der primäre Faktor für die Vermeidung von Seilrissen bei Kantenstürzen.
Update Dezember 2023 & Besuch bei Edelrid
Es ist Anfang November und ich sitze mit meiner Kollegin Lena im Auto, wir sind auf dem Weg nach Isny, zu Edelrid. Dort darf ich mir anschauen, wie mein Seil eigentlich hergestellt wurde.
Die Eagle Lite-Serie von Edelrid
Jetzt ist hier aber doch noch kurz Zeit für meine Hymne auf das Vorgängerseil, das Eagle Lite Dry. Das hat mich nämlich tatsächlich beeindruckt. Zweieinhalb Jahre war es richtig viel im Einsatz und – was untypisch für mich ist – ich habe das Seil sowohl zum Ausbouldern als auch für den Durchstieg hergenommen. Es hat das alles tadellos mitgemacht. Beeindruckende zwei Jahre sah es aus wie neu. Deshalb musste es wieder dieses Seil sein.
Das Eagle Lite gibt es in drei Versionen: Der Basisversion, der Eco Dry-Version sowie der Protect-Version. Meine Empfehlungen sind hier:
- Die „normale“ Version ist insbesondere für die Kletterhalle und gelegentliches Draußen-Klettern geeignet.
- Die Eco-Dry Version würde ich allen empfehlen, die vor allem am Fels unterwegs sind (die Imprägnierung macht das Seil einfach langlebiger)
- Das Eagle Lite Protect Pro Dry ist perfekt für alle, die beim Trad- oder Alpinklettern mit Einfachseil unterwegs sein wollen oder die für draußen ein Plus an Sicherheit wollen.
Mein bisheriges Test-Fazit zum Eagle Lite Protect Pro Dry
Mein Resümee zum Eagle Lite Protect Pro Dry ist bisher positiv. Das Handling passt, aber das ist bei einem neuen Seil ja auch etwas erwartbar. Bisher erfüllt das Seil meine Erwartungen an die Robustheit.
Vor allem aber war ich im hakenfreien Gelände des Granits sehr froh über die Sicherheitsreserven des Seils. Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass ich noch einmal mit einem Nicht-Protect-Seil zum Trad-Klettern fahren werde – warum auch?
Das Eagle Lite Protect Pro Dry bietet fürs alpine Gelände ein wichtiges, kleines Plus an Sicherheit!
Und auch für einige Felsen im Alpenvorland, bei denen ich weiß, dass der Fels besonders bissig ist, nehme ich dieses kleine Plus an Sicherheit auch in Zukunft gerne mit!