Faszination Nordwand – Die Spitze des Eiskletterns
Das Rubihorn im Allgäu ist ein echter Klassiker unter jenen, die es gerne kalt, mühsam und schattig mögen: Zumindest seine Nordwand. Zahlreiche Wintertouren ziehen durch die rund 400 Meter hohe Wand, die mächtig über Oberstdorf thront. Einmal dort durchzusteigen – diesen Traum haben viele. Und tragen ihn oft über Jahre mit sich herum, denn einerseits müssen die Verhältnisse passen und andererseits braucht es dann auch noch den nötigen Mut und die passenden Mitstreiter. Zahlreiche Bergwacht-Einsätze sprechen für den Anspruch, der in dieser Wand herrscht.
Eine gute Alternative für das lange Warten auf Mut, Erfahrung und Mitstreiter? Das Alpincamp mit Camp/Cassin. Einen Tag im Eis zum Warmklettern und Eingrooven und dann einfach direkt durch die Nordwand. Das geht? Und wie das geht!
Tag 1 – Die Suche nach Eis
Zugegeben, es ist ein wirklich mauer Winter. Kaum Eis, ja nicht einmal richtig Schnee im Allgäu. Der heimische Bergführer und Camp-Athlet Luis Stitzinger fand dennoch Eis und das noch nicht einmal mit allzu langem Zustieg. Nach der Übergabe des neuen Equipments – immerhin für jeden Teilnehmer ein Paar nagelneuer X-Dream Eisgeräte und eine X-Gyro-Leash – ging es zu Fuß hoch zum Vilsalpsee. Eine kurze Einführung in die Eiskletter-Technik und los ging’s! Die Bergführer hatten alle Hände voll zu tun, neue Linien mit Topropes auszustatten, so motiviert waren die Teilnehmer.
Mit herrlich blauem Himmel und dem vollständig vereisten Vilsalpsee im Hintergrund pumpten sich die Arme immer mehr auf, während das Grinsen erst immer breiter und am Ende immer müder wurde. „Macht Euch nicht komplett platt, morgen ist erst der große Tag!“, lachte Christian Bickel, der ohnehin immer lachende Vertriebsleiter von Camp in Deutschland. Wenn er nicht auch gerade im Eis hing, grinste er zufrieden: Bestes Wetter, allein im Eisklettergarten und begeisterte Teilnehmer – nicht zuletzt wegen seiner Eisgeräte, von denen er unumwunden feststellte, dass es momentan die besten wären, die der Markt zu bieten hat.
Als alter Nomic-Fan musste auch ich zugeben, dass diese Eisgeräte nicht nur im Steilen angenehm zu klettern waren, sondern – und hier liegt womöglich der größte Unterschied zum Nomic – eben auch im etwas flacheren Gelände, wo man mit dem Nomic gerne mal mit dem Griff aufschlägt. Dank des ausgeprägten Sporns unten sind die Cassin X-Dream Eisgeräte nicht zuletzt auch beim Stapfen geeignet, was einige Stunden später ausgiebig getestet wurde.
Tag 2 – Rubihorn Nordwand!
Reichenbach: Halb acht, zwei Grad plus. Der Blick fiel unweigerlich auf die mächtige Wand direkt über uns. Da durch? Der Nervenkitzel war da, ebenso ein weiterer Bergführer zur Verstärkung. Auf frühlingshaften Pfaden ging es hinauf in Richtung Gaisalpe und weiter über das verschneite Geröllfeld zum Einstieg. Nicht nur der Blick hinunter ins völlig grüne Illertal verwirrte, auch der Blick vor und zurück: Keine einzige andere Seilschaft unterwegs – wie viel Glück kann man an einem Sonntag mitten im Februar haben?
Während einer der Bergführer mit zwei besonders fitten Teilnehmern bereits einstieg, nahmen wir uns etwas mehr Zeit. Eilig hatten wir es nicht, es war früh, das Wetter stabil und das Hauptziel dieses Tages war klar: Spaß haben. Keinen Stress! Der kam dann allerdings doch hin und wieder kurz auf, denn das Klettern mit Steigeisen und Eisgeräten im blanken Fels war ungewohnt, wacklig und ist anfangs immer unangenehm. Die Teilnehmer rockten die kurzen Felspassagen aber problemlos und kamen auch schnell in die zweite Allgäuer Interpretation von »Eisklettern« gut rein: Eisgeräte in Graspolster hauen. Ja, das ist Allgäu!
Seillänge nach Seillänge zogen wir nach oben, der Blick hinunter wurde immer spektakulärer, die Freude immer größer. Nach einigen durchaus heiklen Kletterpassagen kam langsam das Gipfelschneefeld in den Blick: Normalerweise eine große weiße Fläche, diesmal durchsetzt mit Latschen und Felsen. Ja, wir hatten einfach unheimlich wenig Schnee dieses Jahr. Die ungewöhnlich warmen Temperaturen machten aus dem Rest allerdings idealen Stapfschnee und so dauerte es nicht mehr allzu lange, bis wir gemeinsam den schmalen Gipfel erreichten.
Der Blick fiel plötzlich auf der anderen Seite dieses markanten Berges hinunter und hinüber auf die ganz Großen des Allgäus: Der markante Hochvogel, das Allgäuer Matterhorn, die Trettach und der Hohe Ifen mit seinen langen Felsriegeln. Was für ein Ausblick. Und was für eine Stimmung unter den Teilnehmern! Pure Freude, echter Stolz. Zu Recht, denn im Gegensatz zu so vielen anderen Aspiranten dieser Wand wurde für sie ein Traum innerhalb von zwei Tagen wahr. Ein guter Grund, stolz zu sein. Was für ein Wochenende!