Ein weiterer Kletterschuh auf dem Weg in das Testgelände: Ist es nur ein weiterer Kletterschuh? Oder verbirgt sich hinter dem neuen Evolv Kletterschuh etwas, was ich bisher noch nicht erleben durfte. Der Evolv Shaman kommt jetzt in einer neuen Farbe und deshalb nenne ich ihn Evolv Shaman redesign 2016. Ich habe im Laufe meiner Kletterjahre schon einige Schuhe an den Füßen gehabt, doch wie immer bin ich gespannt was die Kletterschuh-Industrie so an Neuem zu bieten hat. Einige Top-Leute konnte ich kürzlich mit dem neuen Shaman schon beobachten: Scheint spannend zu werden!
Chris Sharma und seine Schuhe: Vorgeschichte muss sein
Chris Sharma ist so gut wie jedem Kletterer ein Begriff und wenn nicht, dann sollte man sich schleunigst mit diesem Spitzenkletterer beschäftigen. Warum schreibe ich das? Ganz einfach: wenn einer der besten Kletterer – wenn nicht gar der Beste – sich auf die Suche nach dem perfekten Kletterschuh macht, heißt das etwas. Immerhin gibt er dafür seinen Namen her und beim Produktdesign drückt Sharma dem Schuh seinen Stempel bei Passform und Performance auf. Es kann also sein, dass der Evolv Shaman als Kletterschuh richtig etwas her macht. Das Design ist frisch und passt in den eher farbenfrohen Trend zu Zeit. Das an ein Tribal-Tattoo erinnernde Zeichen auf dem Verschluss, findet sich Gott sei Dank auf dem Schuh und nicht an Chris Sharma. Aber ist ja alles Geschmacksache – es geht hier ja um die Performance des Schuhs:
Evolv Shaman im Test: Konstruktion + Materialien = Performance
Ein kraftvoller Down-Turn Kletterschuh wie der Shaman ist sicher nichts für Plaisir- und Plattenkletterer. Dafür ist er viel zu aggressiv vorgespannt. Die Konstruktion ist auf eines getrimmt: Alle Kraft soll in der Spitze ankommen. Und das tut die gute Kraft auch. In Überhängen und in steilen Bouldern bringt der Shaman die Power wirklich dorthin, wo man sie einsetzen möchte. Wenn man abrutscht, dann wegen mangelnder Körperspannung. Schön und gut, das mit der Kraft! Aber was steckt dahinter?
Obermaterial: Das synthetische Obermaterial kommt dem Schuh und seinem Einsatzgebiet entgegen. Es leiert nicht aus und unterstützt die Konstruktion des Schuhs. Das Synthratex VX-Obermaterial ist zudem recht luftdurchlässig und dazu noch ziemlich bequem. Die Zunge passt hier genau in das Gesamtbild, denn sie fügt sich, schmal wie sie ist, gut an den Fuß. Das Gefühl könnte nicht besser sein. Der Schuh wird durch diesen Mix sehr komfortabler. Trotz der aggressiv ausgerichteten Konstruktion rutscht der Fuß nicht weg.
Mittelsohlenkonstruktion „Lovebump“: Was man fast nicht merkt, aber bei längerem Touren im Dach doch den Unterschied ausmacht, ist die „Love Bump“ Mittelsohle. Diese dirigiert deine Zehen geradewegs auf die kleinsten Tritten und unterstützt die Muskulatur beim „Ziehen“ und „Saugen“ an großen Tritten im Überhang. Dieses Feature sortiert regelrecht die Zehen in die Zehenbox und ist zudem recht komfortabel. Was mir positiv auffällt, ist das saubere Innenleben der Schuhe, keine Naht reibt, drückt oder stört beim Klettern. Nichts gibt nach, nichts leiert aus, nichts reibt: So soll es sein.
Der Verschluss: Das Tribal und der Velcro: Konzentrieren wir uns auf den Verschluss, auch wenn mich die Tribal-Zeichnung während des Kletterns und während des Schreibens irritiert. Der Verschluss besteht aus recht minimalistischen Velcro Straps. Diese drei Verschlüsse sind gegenläufig angebracht. Sie lassen eine exakte Postionierung des Schuhs am Fuß zu und sehen auch nach dem 12. Mal klettern noch sehr gut aus. Die halten also wie versprochen. Bei frühen Produkten dieses Kletterschuhs waren die Straps ein wenig kurz, so dass Leute mit hohem Spann Probleme hatten, jetzt ist das Problem gelöst. Zwei ordentliche Anzieh-Schlaufen machen es dem Kletterer leicht in die Schuhe zu kommen. Ein weiterer Schuhhersteller, der hier definitiv seine Hausaufgaben gemacht hat.
Antreten und Hooken mit dem Shaman
Fangen wir dieses Mal hinten an. Mich interessiert beim Bouldern oder in athletischen Routen ja vor allem: Hält der Hook oder brauche ich wieder das Klebeband aus dem Rucksack? Hier punktet der Shaman! Der Hook hält aufgrund seiner sehr gut ausgeformten Heel-Kappe. Diese saugt sich regelrecht an die Ferse und weist genug Gummi auf, um ordentlich Grip beim Hooken zu garantieren. Die Toe-Hook Eigenschaften stehen dem in nichts nach, auch wenn der Schuh auf flachen Flächen dazu neigt, weniger Auflage auf die obere Fersenkappe zu bringen. Der Toe-Hook hält dafür umso besser an Kanten und Ecken.
Kantenhalt: Der Kantengummi an der Spitze macht mir ein wenig Sorgen. Arg dick und mächtig kommt er mir daher, so dass ich befürchte bei extrem kleinen Leisten abzuschmieren und dabei noch ordentlich Gummi zu lassen. Aber dem ist nicht so. Dadurch, dass die Zehen in einer Art Zehenbox unterstützend gehalten werden, ist die Spitze und das Gefühl darin wirklich gut. Die Kante hält erstaunlich gut und lange, trotz dickem Gummi. Ich darf also auf eine lange gemeinsame Kletterzeit mit meinem Shaman hoffen.
Schuhgröße und Passform
Und wie immer: Die Frage der Fragen – wie groß wähle ich den Kletterschuh? Ich versuche mal zu helfen bei der Shaman’schen Größenwahl ohne die Passform wegzulassen:
Der Schuh ist defintiv nichts für extrem schmale Füße, ein wenig breiter dürfen die Zehen am Vorderfuß schon sein. Menschen mit hohem Spann und richtig schmalen Füßen dürften sich unwohl fühlen. Der Schuh dehnt sich nur gering, so dass der Schuh wirklich passen sollte. Ägyptisch, römisch, gerne etwas breiter – so wird Chris Sharma auf seinen Füßen stehen, vermute ich. Das sind jedenfalls die Fußarten bei denen der Shaman passt. Normale bis breite Vorderfüße passen gut in die Zehenbox und dort macht das „Love Bump“-System auch Sinn beim Dirigieren der Zehen.
Ich trage den Evolv Shaman eine halbe Nummer kleiner als meine Straßenschuhe, so passt er mir perfekt und liegt überall gleichmäßig an. Wer es etwas bequemer mag, dem würde ich die normale Straßenschuhgröße empfehlen. Man sollte Bedenken, dass sich der Schuh wirklich nicht dehnt: Das Argument „der dehnt sich noch“, bringt Dir außer Schmerzen rein gar nichts.
Das Résumé zum Evolv Shaman
Wer es noch nicht weiß: Chris Sharma, Kai Lightner und Ashima Shirashi! Genau diese Speerspitze des Kletterns eben sind mit dem Evolv Shaman unterwegs – und das mit ziemlich großem Erfolg. Jetzt kann ich vielleicht fast identische Töne am Fels hören lassen wie Chris Sharma, aber vergleichen brauche ich mich nicht mit diesen Kletterern.
Der Shaman ist glücklicherweise für jeden da, soviel steht fest. Die Passform, das Preis-Leistungsverhältnis und seine lange Lebensdauer machen den Schuh für jeden interessant der gerne ambitioniert und etwas steiler unterwegs ist.
Im Granit hält der Schuh bombenfest, im Kalk ist fast kein Unterschied festzustellen und wer in der Halle unterwegs ist, wird erstaunt darüber sein wie gut der Schuh im Dach zu klettern ist. Die Kletterschuhe tendieren ins steile Terrain, wofür sie auch konstruiert sind. Im Reibungsgelände hatte ich damit nur bedingt Spaß. Ich kann jedem Kletterer nur raten: Probier es aus (und laß Dich vom Tribal nicht abschrecken)!
Der Evolv Shaman bei Bergzeit
Der Evlov Shaman im Detail:
- Art: Performance Kletterschuhe für Steiles
- Einsatzbereich: Felsklettern, Bouldern, Sportklettern
- Material: 4,2 mm TRAX® high friction rubber, two-piece Sohle mit „Love Bump“
- Verschluss: Klettverschluss gegenläufig
- Vorspannung: stark vorgespannt
- Asymmetrie: stark
- Downturn: starker Downturn
- Gewicht: 520 Gramm (Größe 40,5 EUR)