Meiner heißt Detlef. Detlef ist mein innerer Schweinehund und als solcher zuständig für Scharmützel jeder Art. Er ist darauf abgerichtet, stets zur rechten Zeit mit der passenden Ausrede zur Stelle zu sein. Er kennt mindestens 1.000 Gründe, warum es vielleicht doch besser wäre, einem gewissen Aktivismus zu widersagen. Und er wird unterdrückt. Von mir. Und da kann ich penetrant sein, genauso wie er. Je nach Jahreszeit hat mal Detlef und mal Udo die Oberhand. Unterm Strich gewinne ich jedoch immer. Spätestens im März, April, wenn der Schnee langsam weicht, die Temperaturen Mäßigung versprechen, das Salz auf den Straßen nur noch in Form von weißen Rändern vorhanden ist, spätestens dann beginnt für Detlef die Leidensphase. Mein Bike verlässt – frisch geputzt – das Kellerverlies. Die Kette glänzt. Detlef schmollt.
Das Virus Alpencross
Jedes Jahr aufs Neue beginnt spätestens im Frühjahr die mehr oder minder konsequente Vorbereitung auf ein Ziel, welches zumindest unter Mountainbikern einem Ritterschlag gleichzusetzen ist. Jenes hehre Ziel heißt Alpencross, Transalp, oder auch AlpenX.
Ähnlich einem Virus verbreitet es sich unkontrolliert und kehrt, einmal erfolgreich infiziert, immer wieder zurück. Das erlebte Glück im Sattel, die Mühsal der mitunter einsamen Trainingseinheiten, die innere Ruhe, die uns alle erfüllt, wenn wir oben am Gipfel stehen und herunter blicken. Jener Kick, wenn das Adrenalin strömt und die Endorphine hüpfen. Sorgen treten in den Hintergrund, der Alltag wechselt seine Farbe, aus grau wird bunt. Die Zeit scheint stillzustehen. Zumindest für diese eine unendliche und doch so kurze Woche. All dies und noch viel mehr drängt aus mir raus, findet seinen Weg direkt vom Kopf auf die Tastatur und wird untermalt von den schönen Bildern. Aufgenommen auf den Trails dieser herrlichen Alpenwelt. Von Detlef weit und breit keine Spur.
Wer einen Alpencross plant, der hat die Latte hochgelegt. Tagestouren gehören zur Routine, auch längere Strecken sind eine oft erprobte Angelegenheit. Man kennt den eigenen Leistungslevel und seine Grenzen. Auf den folgenden Seiten erfahren Sie ein paar Eckwerte, die als Orientierung für die Planung dienen sowie wichtige Hinweise, die den Einstieg in das Thema erleichtern.
Tipp 1: Ein Alpencross ist keine One-Man-Show
Ein kleines Zwei-Mann- (oder -Frau)-Team ist ebenso sinnvoll wie eine (homogene) Vierer-Gruppe. Zu dritt geht es auch. Auch zu sechst oder acht kann man die Alpenüberquerung in Angriff nehmen, jedoch steigt mit jeder Person oder jedem Paar die Quote der Warte- oder Verzugsfaktoren (Panne, Rast, Pause, Laune, Leistungsunterschiede, Bettenzahl im Quartier, u.v.m.). Was bei geführten Gruppen der kommerziellen Anbieter ganz normal ist (Gruppenstärken zwischen 8 und 12 Biker / Innen), wird bei einem eigens geplanten Cross schnell zum K.O.-Kriterium.
Tipp 2: Navigation & Karten
Heutzutage bietet das Internet zahlreiche Foren und Möglichkeiten des Downloads an. Sowohl in Papierform als auch als Roadbook oder File für das eigene oder geliehene GPS-Navigationsgerät lassen sich mittlerweile schnell, problemlos und günstig bereits erprobte Touren herunterladen. Wer Spaß an der Planung hat, der nehme einschlägige Karten (keine Autokarte! Kompass (D/A) oder Tobacco (I) Wanderkarten bzw. die SLK (CH) sind ideal) oder erstelle beispielsweise über die Software der „Traumtouren Transalp“ (U. Stanciu) seine individuelle eigene Tour, die man dann auch als GPS Track erwerben kann (Kosten ca. 10-20 Euro).
Tipp 3: Dauer & Routenführung
In der Regel dauert eine Alpenüberquerung je nach Profil und Schwierigkeitsgrad sowie Start- und Zielort zwischen fünf und acht Tagen. Der Klassiker ist eine Querung bis zum Gardasee, aber auch andere, wesentlich weniger frequentierte Wege führen über die Alpen. Mögliche Endziele sind auch der Comer See, das Trentino, die Adria und viele andere Orte. Einfache Routen starten in Füssen, legendär ist die so genannte Heckmair-Route ab Oberstdorf. Insgesamt sind der Fantasie in Bezug auf Startpunkt und Route keine Grenzen gesetzt.
Tipp 4: Etappenplanung
Als Grundlage für die Planung können folgende Richtwerte dienen – immer ausgehend von einem guten Fitnesslevel: Die Streckenlänge beträgt im Tagesmittel 50 bis 70 Kilometer. Darunter wird es zunehmend gemütlicher (vorausgesetzt, die Anstiege sind moderat), darüber zunehmend anspruchsvoller. Die Gesamtlänge eines Cross beträgt je nach Startort zwischen 350 und 650 Kilometer. Pro Tourentag gelten ca. 1.800 bis 2.200 Höhenmeter als Schwellenwert. Wer pro Stunde maximal 500 Höhenmeter veranschlagt, ist auf dem richtigen Weg. Anspruchsvolle Touren verlangen schnell über 2.000 Höhenmeter pro Tag, nicht selten auch an mehreren Tagen hintereinander – wer hier nicht wirklich fit ist, wird nicht glücklich werden. In Summe hat man am Ende einer Transalp zwischen 7.000 bis 8.000 bzw. bis weit über 15.000 Höhenmeter gesammelt. Je nach Anspruch. Die durchschnittliche Tagesfahrtzeit (netto Rollzeit) beträgt zwischen vier bis sechs Stunden. Darüber steigen Anspruch und Anforderung, darunter bleibt genug Zeit für Genuss und Muße. Als Faustformel für die Planung gilt ein 11er-Schnitt (11 km pro Stunde), wer drunter plant, lässt es gemütlicher angehen, wer darüber kalkuliert, wird zunehmend sportlicher. Am Ende einer AlpenX-Woche grinsen einem dann in der Regel ca. 35 bis 45 Stunden Netto-Fahrzeit auf dem Tacho entgegen.
Tipp 5: Ein Wort zum Training
Viele Wege führen nach Rom (oder an den Lago). Egal ob wissenschaftlich und akribisch protokolliert oder nach dem Zufallsprinzip durchgeführt: Training und Vorbereitung vor einer Alpenüberquerung sind unabdingbar. Meine persönliche Messlatte liegt bei 20 bis 30.000 Höhenmetern bis zum Start Ende Juli. Es schadet auch nicht, wenn man bis dahin schon rund 1.000 Kilometer im Sattel verbracht hat. Zusätzlich holt man sich die Fitness durch Skitourengehen, Langlaufen oder klassisches Joggen oder Schwimmen. Eine körperliche Grundfitness und gute Ausdauerkondition sind in jedem Fall vonnöten, bevor die Startflagge wedelt! (Neu-) Einsteiger sollten ein Gespräch mit ihrem Arzt nicht scheuen.
Tipp 6: Die Ausrüstung
Die schlechte Nachricht zuerst: Es gibt ihn nicht. DEN ultimativen allgemeingültigen Tipp. Nun die gute: Das Angebot ist riesengroß und der Markt hat mittlerweile zum Thema „Alpencross“ jede Menge zu bieten. Von der Regenhose bis zum Rucksack sind nicht wenige Produkte sogar nach dem Einsatzzweck benannt. Als Faustregel gilt: Sechs Kilo auf dem Rücken sind eigentlich genug. Wer mit Packtaschen liebäugelt, dem sei gesagt: Je mehr man sich offroad bewegt, desto ungeeigneter ist dieses Zubehör. Fahrradtasche ist okay (Tipp: die Saddlebag von Ortlieb). Achtung: Bei Modellen mit einer Klemmung an der Sattelstütze auf Stabilität achten – es ist schon so manche Plastiknase gebrochen. Hüftgurt und Sattelstangentasche (VauDe Offroad-Bag) sind eine Lösung, aber auch hier gilt: Ein Praxistest vor dem Cross zeigt etwaige Schwächen. Für den Pack-Umfang gilt der berühmte Satz: So wenig wie möglich, so viel wie nötig. Im Zweifel ruhig einmal eine Mehrtagestour mit vollem Rucksack als Generalprobe in Angriff nehmen. Wirkt oftmals als gewichtsreduzierendes Wunder.
Bikerucksäcke für den Alpencross gibts natürlich bei Bergzeit!
Artikel zum Thema Mountainbike im Bergzeit Magazin:
- Alpencross Oberstdorf – Gardasee: Mit dem MTB über die Alpen
- MTB-Fahrtechnik Teil 1: Tipps für Anfänger
- Packliste MTB-Transalp: Das brauchst Du für Deinen Alpencross
Faszination AlpenX
Mit dem Bike über die Alpen
Das Buch zu unserer Alpencross-Serie ist im Verlag Frischluft-Editon erschienen. In Band 1 beschreibt Autor Udo Kewitsch drei Transalp-Touren – von Tegernsee, Schwaz und Oberstdorf jeweils nach Riva am Gardasee. Band 2 widmet sich den Touren von Füssen, Siegsdorf und Locarno nach Riva am Gardasee. Was er bei seinen Touren erlebt schildert Udo Kewitsch mit frischer Sprache und gespickt mit vielen Insider Infos. Im Buch sind neben Höhen- und Streckenprofilen, Übersichtskarten und Checklisten auch nützliche Tipps und Adressen zu finden.
Faszination AlpenX | Udo Kewitsch | Verlag Frischluft-Edition | ISBN: 978-3-3910890-9-7 | 160 Seiten | Format 165 x 235 cm | ca. 150 Farbbilder | 19,90 Euro