Sehr leicht, stabil und bedingt steigeisenfest. Zudem gemacht für moderne, technisches und schnelles Bergsteigen mit Kletterpassagen. Aufgaben die mein neuer Testschuh von Garmont mühelos erfüllen soll. Und die er mir bei meiner Besteigung des Kilimanjaro unter Beweis stellen soll.
Der erste Eindruck des Garmont G-Radikal GTX
Überraschend leicht ist der Stiefel, als ich ihn auspacke. Eine zweite Überraschung folgt, als ich entdecke, dass dieser Schuh einen Innenschuh hat. Dünn, gepolstert nur an Ferse und Knöchel, mit offenem Zehenbereich. Interessant denke ich und muss natürlich gleich „im Trockenen“ probieren. Recht schnell merke ich, dass der Innenschuh beim Anziehen bereits im Schuh stecken sollte. Ansonsten kann sich beim Hineinschlüpfen der dünne Zehenbereich sehr leicht umstülpen. Beigelegt ist noch eine Zusatzsohle, so kann von der Größe her gut variiert bzw. der Schuh auch ohne Innenschuh getragen werden.
Von diesem Innenschuh, genannt „Heel Lock“ für optimalen Fersenhalt, wird tatsächlich der Fuß elastisch und voll umfänglich umschlossen. Das gibt ein Gefühl von perfekter Passform, ohne dass irgendetwas drückt. Ich fühle mich wie in meinem Zustiegsschuh, weil zudem auch die weiche und extrem anschmiegsame Abschlussmanschette eine tolle Bewegungsfreiheit in der Rotation zulässt. Die Schnürung mit Schnellverschlüssen ist zweigeteilt, das geht fix und lässt eine wunderbar individuelle und auch situative Anpassung an den Fuß zu.
Stresstest für den Schuh: Auf den Kilimanjaro
Ich hatte ja vor, den Schuh vor einer großen Unternehmung bei kleinen Tagestouren etwas einzulaufen. Wie so oft kommt unverhofft oft und schon ging es los zu einer Führung am 5.895 Meter hohen Kilimanjaro in Tansania. Das sind ja diese Unternehmungen, bei denen Gewicht in allen Ausrüstungsbereichen eine große Rolle spielt. Die Suche nach dem Produkt, das alles kann, ist allgegenwärtig und so kam der G-Radikal GTX ungetragen ins Gepäck. Leicht, flexibel, mit Vibram-Sohle, Gore-Tex-Ausstattung, bedingt steigeisenfest, aber trotzdem mit guter Dämpfung. Mein spontanes Wohlfühlen im Wohnzimmer wird mich doch nicht täuschen, denke ich und schon ist der Schuh neben ein Paar Turnschuhen eingepackt. „Du bist einfach dämlich“ argumentiert meine Frau, „No risk, no fun“, ist meine lächelnde Antwort.
Die erste Bewährungsprobe
Das Einzigartige am Kilimanjaro ist, dass man dort alle fünf Klima- und Vegetationsstufen durchschreitet oder durchsteigt. Während des Aufstiegs überwinden wir etwa 5.000 Höhenmeter. Zuerst die Savanne bzw. das eher trockene Farmland, hier trage ich noch leichte Turnschuhe, die ich als Reserve und Rastschuhe dabei habe.
Spannend wird es im folgenden Regenwald, weil hier das Gelände teils recht steil und damit nass und rutschig ist. Allerdings sind die Temperaturen noch recht hoch, der Wunsch nach Trittsicherheit führt jedoch zur Entscheidung den G-Radikal GTX einzuweihen. Ich trage einen gut und eher eng passenden Merinosocken und entschließe mich, es sofort mit dem Innenschuh zu probieren. Nach unserem Start im Morgengrauen gibt es sofort eine Menge zu tun und so vergesse ich völlig, dass ich neue und für mich in einem solchen Gelände eher „schwere Schuhe“ trage. Die Flexibilität des Schaftes und der tolle Grip einschließlich Standfestigkeit der Sohle lassen mich dies aber völlig vergessen.
Ich bin eher auf der schwitzigen Seite des Lebens unterwegs, daher ist meine Socke am Spätnachmittag im Lager leicht feucht und ebenso der Innenschuh. So hänge ich beides in die Abendsonne und später ins Zelt. Am nächsten Morgen ist alles trocken.
Der Regenwald wird von Heide- und Moorland abgelöst, das oft auch felsdurchsetzt ist. Also wechselt hier alles, was man sich so an Untergründen vorstellen kann, in oft schneller Folge ab. Das Gelände ist mal flacher, mal steiler, trocken und wieder nass. Gehtechnisch ist das gesamte Repertoire gefordert. Selbst auf flachen Passagen geht sich der G-Radikal GTX sehr angenehm, weil die leicht gebogene Sohle in Verbindung mit der dämpfenden Mittelschicht ein ausreichendes Abrollen ermöglicht. Die durch den gepolsterten Innenschuh gut umschlossene Ferse hat kaum an Reibung zu leiden.
Der Blick wird nun frei, manchmal schon zum noch weit entfernten, eis- und schneeumhüllten Gipfelbereich. Wir haben die Alpine Wüstenzone erreicht. Schotter, Lavasand aber auch kompakter Fels mit leichten Kletterstellen bis zum zweiten Grad sind nun unsere Begleiter. Konzentriertes Gehen und Steigen ist hier gefordert, auch weil wir ja nicht hundertprozentig akklimatisiert sind.
„Pole, pole“ ist angesagt, „langsam, langsam“ auf Kiswahili, wie uns unser tansanisches Begleitteam immer wieder ermahnt.
Hinauf zum letzten Lager vor dem Gipfeltag gibt es Steilstufen zum Klettern und oberhalb des Lagers eine felsige Plattenflucht, die wir uns noch bei Tag ansehen, denn morgen wollen wir diese in der Dunkelheit absolvieren. Dort beweist mein G-Radikal GTX wiederum höchste Flexibilität, diesmal in der Rotation zwischen Fuß- und Schaftbereich. Ich kann auf Platten bis zu 45° locker mit der ganzen Sohle ansteigen, sowohl im Auf- als auch Abstieg – meine Begeisterung für den Schuh wächst.
Der Gipfeltag
Unser Gipfeltag beginnt exakt um Mitternacht, wir starten bei Regen und starkem Wind. Die Stirnlampen leuchten nicht weit, ich konzentriere mich auf den Untergrund und bin froh, heute mit wasserdichtem Gore-Tex ausgestattet zu sein. Die steile Felsplattenzone haben wir recht schnell hinter uns, doch dann wird es wirklich mühsam. Felszonen und steile Lavasandzonen wechseln sich ab. Schritt für Schritt und möglichst gleichmäßig atmend kommen wir dem Kraterrand näher.
Es wird langsam hell, der Regen war schon weiter unten in Schnee übergegangen, jetzt kommt die Morgenkälte verstärkt durch heftigen Wind. Plötzlich ist auch die Sonne da, der Niederschlag hat aufgehört und wir sind am Kraterrand, hier Stella Point genannt. Schnell ein paar Fotos, es ist durch den Wind sehr kalt, es beißt in meinen Fingern. Dabei fällt mir auf, dass meine Füße wohlig warm sind, die Temperatur dürfte bei -10° liegen. Jetzt bekommt mein Schuh doch langsam den Status „Tausendsassa“.
„Jetzt bekommt mein Schuh doch langsam den Status ‚Tausendsassa‘.“
Wir haben nun die letzte Zone, die Arktische Zone erreicht. Noch ist der Gipfelbereich des Kilimanjaro vergletschert, doch der Klimawandel hinterlässt auch hier sichtbare Spuren. Bei nun guter Sicht mühen wir uns die letzten Meter zum Gipfel hinauf. Fest getretener Schnee und fester Harsch wechseln sich ab. Kein Problem für meine Vibram-Sohle, die Steigeisen bleiben im Rucksack.
Der Blick vom Gipfel auf die tief unter uns liegende Savannen Ostafrikas ist phantastisch, die Mühen haben sich mehr als gelohnt.
Vom letzten Lager bis zum Gipfel benötigten wir ca. sieben Stunden. In knapp zwei Stunden Abstieg sind wir wieder unten, dank dem an vielen Passagen möglichen Lavasandsurfen. Hier kommt mein G-Radikal GTX nochmals voll zum Einsatz. Das Wort Radikal ist hier von der Belastung des Schuhs betrachtet eher noch untertrieben. Von der Sohle bis zum strapazierfähigen Synthetik-Obermaterial zeigt sich alles nach fünftägigem extremem Dauereinsatz ohne nennenswerte Blessuren. Auch beim Lavasandsurfen ist durch den flexiblen, eng anliegenden Schaftbereich kein einziges Steinkorn in den Schuh gelangt, das verdient wirklich Respekt.
Testfazit
Wenn man einen Bergschuh benötigt, der fast alles kann – steig- und klimatechnisch – dann bin ich vom Garmont G-Radikal GTX wirklich überzeugt worden. Richtig, mit Steigeisen konnte ich ihn nicht testen, weil die Verhältnisse so gut waren, aber warum sollte er ausgerechnet dabei versagen?