Eigentlich hat man beim Kauf eines Schlafsackes nur zwei Optionen: Soll es ein Kunstfaser- oder lieber ein Daunenschlafsack sein? Jedes der beiden Isolationsmaterialien hat seine Vor- und Nachteile. Doch nun möchte der Bayer Markus Wiesböck den etablierten Markt auf den Kopf stellen. Schafwolle sei das Füllmaterial der Zukunft, so der Gründer von Grüezi-Bag. Wir hatten die Möglichkeit, dem Sommermodell Biopod Zero auf einer zweiwöchigen Tour durch den Iran und anschließend bei Wanderungen in der Sächsischen Schweiz auf den Zahn zu fühlen. Außerdem habe ich persönlich mit dem Erfinder dieses Woll-Schlafsacks gesprochen, da ich doch einige Fragen zu seinem neuen Konzept hatte.
Lohnt sich der stattliche Preis von etwas über 200 Euro für einen Schlafsack mit einer Komfort-Temperatur bis +7 °C? Und ist Wolle wirklich das Isolationsmaterial der Zukunft? Diesen Fragen geht der Testbericht nach.
Passform des Biopod Zero
Der Biopod Zero ist vom Design her ein klassischer Mumienschlafsack mit ein paar raffinierten Details. Der Schnitt ist eher weit und sorgt für komfortable Bewegungsfreiheit, auch bei größeren Menschen. Ich selbst bin 1,83 Meter lang und habe mich dennoch kein bisschen eingezwängt gefühlt. Laut Größenangabe des Herstellers ist das Standard-Modell für Menschen bis 1,87 Meter geeignet, eine XL-Version bietet Personen bis 2,03 Meter Platz.
Das Füllmaterial
Als Isolationsmaterialien kommen bei Grüezi Bag mit Maisstärke stabilisierte Schafwolle (ähnlich dem von Ortovox verwendeten Swisswool) und eine zweite Lage Synthetik-Daune zum Einsatz. Die Stabilisierung mit der Maisstärke ist laut Grüezi Bag-Geschäftsführer Markus Wiesböck nötig, um die Wolle maschinenwaschbar zu machen und vor dem Verrutschen zu sichern. Die Synthetikschicht hat die Aufgabe, die enorme Saugkraft der Wolle etwas zu regulieren, um dem Körper genügend Zeit zu geben seinen Wärmehaushalt anzupassen.
Der Aufbau
Auf einen Wärmekragen wurde bewusst verzichtet. Der mache erst ab Temperaturen unter null Grad Sinn, da sonst ein Feuchtigkeitsstau entstehe, so Wiesböck. Die Kapuze ist mit einem elastischen Schnürzug versehen, der Reißverschluss ist mit robustem Gewebe und einem Isolationskragen unterlegt. Er lässt sich kopf- und fußseitig öffnen und zwar so, dass man die Füße ausstrecken und sie auf den Schlafsack legen kann, statt daneben. Für mich ist dies allerdings eher ein Gimmick, da ich bei warmen Temperaturen den Schlafsack sowieso als Decke benutze. Dass der Reißverschluss von YKK stammt, verspricht auf jeden Fall ein langes Leben und dass man zur Not auch ein passendes Austausch-Schiffchen finden kann.
Fächer und Taschen – praktisches Kopfkissenfach inklusive
Zwei Taschen für Kleinigkeiten – außen mit Reißverschluss, innen mit Klett – ermöglichen das Verstauen und Wiederfinden von Ohropax und Co. Nun zu einer wirklichen Raffinesse: Es gibt ein Kopfkissenfach, in das so viele Kleidungsstücke gestopft werden können, wie man sie zum bequemen Schlafen benötigt. Das Verrutschen hat somit ein Ende – das finde ich praktisch! Völlig unnötig ist hingegen ein Minikompass, der am Reißverschluss befestigt wurde. Getrost kann man den abtrennen und packt lieber einen echten Kompass ins Gepäck.
Schlaufen am Fußende ermöglichen schließlich das leichte Aufhängen des Schlafsacks zum Lüften, Trocknen, etc.
Handling: Der Grüezi Bag Biopod Zero in der Praxis
Der Grüezi Bag Schlafsack wird in einem klassischen Kompressionsbeutel geliefert und wiegt zusammen mit dem Packbeutel 1.070 Gramm (eigene Messung). Das Packvolumen beträgt 7,5 Liter, komprimiert sind es ein bis zwei Liter weniger. Wichtig sei laut Hersteller, beim Packen nicht am Zurrgurt feste zu ziehen, sondern lieber den Schlafsack mit einem Knie zu komprimieren, und dann an den nicht unter Spannung stehenden Kompressionsriemen das gewünschte Packmaß einzustellen. Sonst reißen die Riemen wohl schnell aus. Ich würde die Kompressionsfähigkeit des Biopod Zero auf ein Niveau von mittleren bis guten Synthetikmaterialien einschätzen. Laut Auskunft von Markus Wiesböck ist eine starke Kompression unproblematisch für die Wolle, solange sie nur von kurzer Dauer ist (zum Beispiel den Tag über im Rucksack).
Die Reißverschlüsse laufen sehr gut und verklemmen sich sehr selten. Das Innenmaterial fühlt sich angenehm kuschelig an, während das Außenmaterial einen robusten soliden Eindruck macht, so als könnte man eine lange Lebensdauer erwarten. Auch erfreulich ist, dass der Schlafsack nicht laut raschelt. Ich habe mich bei Hautkontakt mit dem Biopod Zero immer sehr wohl gefühlt, auch wenn das Innenmaterial natürlich nicht aus Schafwolle besteht, sondern ein Synthetikgewebe ist.
Waschen des Grüezig Bag
In den zwei Wochen im Iran sind die Schlafsäcke recht sauber geblieben (trotz Kinder!) – daher musste ich sie bisher noch nicht waschen. Also habe ich mal beim Hersteller nachgefragt, wie aufwendig das Reinigen wäre. Und das scheint denkbar einfach zu sein: Waschen mit einem Wollwaschmittel (nicht schleudern!), aufhängen, trocknen lassen, fertig! Ein Geheimtipp von Markus Wiesböck: Den Schlafsack mit einem Dampfbügeleisen bedampfen – so saugen sich die feinen Woll-Kapillare voll und entfalten ihre ganze Bauschkraft. Da wäre ich allein nicht drauf gekommen.
Wolle: Die Schlafsack-Füllung der Zukunft
Wenn es nach Markus Wiesböck geht, wird über kurz oder lang der Schlafsackmarkt umgekrempelt. Wollschlafsäcke und Kombinationen aus Schafwolle/Synthetik und Schafwolle/Daune werden die Zukunft im etwas gehobeneren Preissegment sein. Die großen Outdoor-Titanen experimentierten bereits in diese Richtung, seien aber systembedingt etwas träger, da die Kollektionen der kommenden Jahre schon in der Schublade bereit lägen, so der Grüezi Bag-Gründer.
Warum ist sich Wiesböck in dieser Hinsicht so sicher? Das liegt wohl daran, dass er über Jahre einen eigenen Outdoorladen betrieb, mit Fokus auf Schlafsackausstattung. Hautnah bekam er die Wünsche und Anregungen vieler Kunden tagein und tagaus mit und entwickelte so die Idee, Schlafsäcke mit Schafwollfüllung herzustellen. Denn die Synthetik-vs.-Daune-Frage ist eine Krux: Daune isoliert prima, solange es trocken ist, Kunstfaser kann auch mit Feuchtigkeit umgehen, ist aber deutlich schwerer, kurzlebiger und weniger komprimierbar. Manche sehen in der hydrophoben Daune die Lösung, Wiesböck ganz klar in der Schafwolle.
Vorteile fürs Schlafklima
Man kennt es schon von Merinobekleidung: Wolle wärmt auch, wenn sie nass ist. Aufgrund der feinen Kapillarstruktur der Wolle wird Feuchtigkeit außerdem schnell weitertransportiert. So hat die Wolle eine klimaregulierende Wirkung: In heißen Sommernächten kühlt sie durch die Verdunstungskälte, bei frischen Frühlings- oder Herbstnächten wird die Feuchtigkeit schnell vom Schlafenden weggeführt, so dass die Luft im Schlafsack trockener bleibt und weniger Wärme leiten kann.
Wer also bisher das Schlafklima in seinem Schlafsack – trotz passendem Temperaturbereich – als unangenehm empfunden hat und daher dann auch schlecht geschlafen hat, für den könnte ein Wollschlafsack die ersehnte Erlösung sein. Ich persönlich habe im Biopod Zero stets gut geschlafen und empfand das Klima tatsächlich als angenehm. Toll ist zudem, dass er sich so kuschelig anfühlt. Auch meine Kinder lieben den Schlafsack. Man merkt, dass hier Liebe zum Detail drinsteckt: „Ich habe über 30 verschiedene Prototypen entwickelt, bis ich endlich mit dem Ergebnis zufrieden war“, so Markus Wiesböck.
Einschränkend muss ich jedoch sagen, dass ich ähnlich gut mit den Eigenheiten von Synthetik und Daune zurechtkomme und mir keinen neuen Wollschlafsack kaufen würde, wenn zuhause bereits ein für den Einsatzzweck passender anderer lagert. Weiterer kleiner Wermutstropfen: Entwickelt wurde der Schlafsack zwar in Bayern, auch die Wolle stammt aus den Alpen, doch gefertigt wird er in China.
Fazit zum Grüezi Bag Schlafsack-Test
Beim Biopod Zero stehen der Schlafkomfort und das Schlafklima im Vordergrund. Alle, die bisher das Schlafklima in einem Schlafsack als unangenehm empfunden haben, sollten einmal Wolle als Füllmaterial ausprobieren. Wer zudem in feuchte Regionen reist, hat nun neben Synthetik eine weitere erwägenswerte, sehr rasch trocknende Alternative.
Leichtgewichte sind mit Wolle gefütterte Schlafsäcke allerdings nicht. Wer auf jedes Gramm achtgeben muss, wird sich weiterhin an Daune orientieren und eventuell auf hydrophobe Daune setzen, falls das Klima etwas feuchter wird. Dafür ist der Grüezig Bag Schlafsack ideal geeignet, sollte es nicht so auf das Gewicht ankommen – etwa wenn man einen Camper oder ein Motorrad zum Transport auf einer Sommerreise zur Verfügung stehen hat.
Die drei wichtigsten Merkmale des Biopod Zero sind für mich:
- die Unempfindlichkeit gegen Feuchtigkeit
- die lange Lebensdauer von Schafwolle
- das leicht zu handhabende Waschen des Schlafsacks
Für die besonderen Vorteile der Wollfüllung muss man derzeit etwas tiefer in die Tasche greifen als für die günstige Alternative Kunstfaser-Schlafsack. Dafür bekommt man mit dem Biopod Zero einen unempfindlichen, langlebigen Schlafsack mit hohem Komfort.