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Auf Wolke 7 im Wetterstein

Klettern an der Schüsselkarspitze

7 Minuten Lesezeit
Ob "Locker vom Hocker", "Wolke 7" oder "Friedenspfeife" - die Routen an der Schüsselkarspitze sind extrem vielseitig. David Lochner hat ein paar Klassiker und moderne Touren im rauhen Wettersteinkalk ausprobiert.

Die Südwand der Schüsselkarspitze ist berühmt-berüchtigt für ihre anspruchsvollen Alpinrouten. Vor allem die „Locker vom Hocker“ von Wolfgang Güllich und Kurt Albert und der gewaltige Plattenpanzer in der Mitte der Wand sind bekannt.

Doch es gibt noch einige andere tolle Routen in allen Schwierigkeitsgraden und verschiedenen Stilen. Auf bis zu 400 Metern Wandhöhe und 12 Seillängen ist in perfektem Wettersteinkalk alles geboten, was das Alpinkletterherz begehrt. Glatte Platten, löchrige Überhänge und raue Risse. Und wenn gewünscht, auch mal ein ordentlicher Runout.

Im Folgenden gebe ich einen Überblick über die Routen hier oben und was es sonst noch so zu beachten gibt.

Blick auf die Südwand der Schüsselkarspitze. | Foto: David Lochner
Blick auf die Südwand der Schüsselkarspitze. | Foto: David Lochner

Routentypen am Schüsselkar

Im Großen und Ganzen haben sich über die Jahre vier verschiedene Stile etabliert:

  • alte Klassiker im ursprünglichen Zustand
  • sanierte Klassiker
  • die anspruchsvollen, nur teilweise bohrhakengesicherten Routen von Heinz Zak und anderen
  • sowie sportklettermäßig abgesicherte Routen

1. Sanierte Klassiker

Die Klassiker folgen den logischen Linien der Wand. Also vor allem den Verschneidungen. Zwischendurch sind diese gerne mal mit einem kleinen Überhang garniert („Knapp-Köchler“, „Aschenbrenner“) oder mit senkrechter Wandkletterei wie in der „Peters-Harringer“. Oft gibt es auch beeindruckend ausgesetzte Quergänge über glatte Platten („Knapp Köchler“, „Jung und Alt“, „Aschenbrenner“).

Die sanierten Klassiker sind sehr zu empfehlen. Der Fels und die Linienführung sind hervorragend – und das bei gemäßigten Schwierigkeiten (meist im 6. und 7. Grad) und vorbildlicher Absicherung. Die Sanierer haben ausreichend viele und solide Klebehaken gesetzt. Im leichten Gelände kann man je nach Geschmack weitere Abstände mit Keilen entschärfen. Im Vergleich zu den ursprünglich sicherlich recht ernsten Linien hat sich der Charakter durch die Sanierung grundlegend geändert. Hier kommt zum Teil richtiges Sportkletterfeeling auf!

Lohnende sanierte Klassiker am Schüsselkar sind:

  • Siemens-Wolf (4)
  • Peters-Harringer (7-)
  • Aschenbrenner (7, mit Einstieg über die Pfeilerrisse)
  • Knapp-Köchler (7+)

2. Nicht sanierte Klassiker

Hier ist etwas Vorsicht geboten. Die Stände und Zwischensicherungen sind ausschließlich an alten Schlaghaken und müssen mit mobilen Sicherungsmitteln verstärkt werden. Als lohnende, aber anspruchsvolle Route kann die „Jung und Alt“ (7+) bezeichnet werden. Schlaghaken zur Verstärkung des Standes nach der 5. Seillänge schaden nicht.

3. Zaksche Furchtführen

Die anspruchsvollen, nur teilweise mit Bohrhaken gesicherten Routen am Schüsselkar sind vorwiegend im 7. und 8. Grad – und zum Teil auch schwerer. Gerne steht dann im Führer ganz unschuldig: „Die Route ist mit Bohrhaken gesichert, Keile sind empfehlenswert“. Vorsicht! Ohne einen kompletten Satz Cams und Keile schaut’s schlecht aus für alle Normalsterblichen. Oft gibt es nur zwei oder drei Bolts pro Länge. Dafür aber gute Placements für mobile Sicherungsmittel. Die Haken sind anstatt vor den schweren Stellen regelmäßig gezielt direkt danach gesetzt. Das hat dann was von Karotte und Esel…

Unvergesslich sind die zweite 8er Länge der „Locker vom Hocker“ und die fünfte Seillänge vom „Steilen Zahn“. Da hat man den lockenden Haken fast direkt vor der Nase. Einhängen kann man ihn aber nicht. Zuvor muss erst noch tapfer die Schlüsselstelle auf kleinen Reibungstritten erkämpft werden. Sonst bleibt nur der Abgang in den letzten Klemmkeil.

Klemmkeile und Friends frisst der Schüsselkarfels glücklicherweise sehr gerne. Außerdem ist das Sturzgelände in den steilen Platten hervorragend und die Stände sind gewöhnlich mit zwei Bohrhaken versehen. Damit ist die Absicherung so gut, dass man sich selbst bei einem weiten Sturz nicht unbedingt verletzt. Ein „Abenteuerspielplatz für vernünftige Adrenalinjunkies“ könnte man also sagen.

Lohnende Routen in diesem Stil sind unter anderem:

  • Friedenspfeife (8+)
  • Locker vom Hocker (8-, von Güllich und Albert)
  • Hexentanz der Nerven (7+, nur Schlaghaken an den Ständen, sonst clean)
  • Steiler Zahn (8)
  • Doc Holiday (9/9+, erste Seillänge evtl. vorher Toprope über Knapp-Köchler auskundschaften, da gefährlich)
  • Time Out (9-, von Heinl)

4. Sportklettermäßig eingerichtete Routen

Auf der Sportkletter-Route "Weg der Nasenbohrer" (7) an der Schüsselkarspitze. | Foto: David Lochner
Auf der Sportkletter-Route „Weg der Nasenbohrer“ (7) an der Schüsselkarspitze. | Foto: David Lochner

Da gibt’s recht wenige. Die meisten Linien wurden doch schon früher entdeckt und da war der Stil halt noch ein anderer. Lohnend sind sie aber auf jeden Fall! Ähnlich wie die anderen nicht-klassischen Routen schlängeln sie sich durch die rauen Platten und großgriffigen Überhänge. Nur die Absicherung ist wesentlich entspannter. Cams und Keile werden zum Teil gar nicht benötigt.

Lohnende Routen in diesem Stil sind:

Zwei Zustiegsvarianten

So toll wie Fels und Landschaft hier oben sind, müsste es eigentlich vor Leuten wimmeln. Was den Zustrom bremst, ist der doch recht anstrengende Zustieg mit ca. 1.000 Höhenmetern.

Beim Zustieg hat man die Wahl: schön oder schnell?

  • Der Schönere: Im Puittal ist die Landschaft absolut einzigartig. Grüne Bergwiesen mit Pferden und Schafen ziehen bis hoch zur Wand. Je nach Startzeit geht während des Zustiegs die Sonne auf und taucht die ganze Bergwelt in ein tolles, oranges Licht. Die Schüsselkarspitze hat man beim Hochlaufen immer im Blick. Allerdings zieht sich der Weg in die Länge. Steilstücke wechseln mit Flachpassagen. Alles in allem empfehle ich, mindestens einmal von dieser Seite aufzusteigen!
  • Der Schnellere: Persönlich laufe ich meistens vom Gaistal aus hoch. Das geht erstens einen Hauch flotter – und zweitens kommt man beim Runterlaufen an der Wangalm vorbei und kann den weiteren Abstieg mit einem Bier vorbereiten.

Insgesamt dauert das Rauflaufen ca. 2 Stunden und ist jedes Mal, mit dem ganzen Eisen im Rucksack, ein ganz ordentliches „Geviehche“.

Abstieg

Zum Teil seilt man direkt über die Routen ab. Meistens kommt man aber am Grat raus und klettert diesen herunter. Hier ist nochmal der komplette Alpinist gefragt. Der Fels ist nicht immer fest und das Gelände ist recht ausgesetzt. Auch die Wegfindung ist am Ende nicht ganz einfach. Wir seilen, nachdem wir den Grat ein Stück runtergeklettert sind, immer über die „Knapp-Köchler“ ab. Das ist sehr bequem, empfiehlt sich aber nur, wenn diese bereits bekannt ist. Ein 60 m Seil ist dabei vorteilhaft.

Praktische Infos zum Klettern an der Schüsselkarspitze

  • Begleiter zur Schüsselkarspitze: Eines der vielen Schafe im Puittal. | Foto: David Lochner
    Begleiter zur Schüsselkarspitze: Eines der vielen Schafe im Puittal. | Foto: David Lochner

    Übernachtungsmöglichkeit: Hier sei nur so viel gesagt: Es gibt einen Biwakplatz unter der Wand. Wer den nicht findet oder es etwas bequemer haben will, kann mit der Wangalm oder der Wettersteinhütte vorlieb nehmen. Die befinden sich ca. 45 Minuten von der Wand entfernt. Außerdem gibt es am Gipfel eine lässige Biwakschachtel.

  • Beste Jahreszeit: Sobald im Frühsommer der Schnee weg ist, kann man Klettern. Da es sich um eine Südwand handelt, trocknen die plattigen Routen auch nach Regen sehr schnell. Risse sind oft lange nass. Zu heiß wird es wegen der Höhe und dem Wind auch im Sommer nicht. Die besten Bedingungen sind meist im Herbst!
  • Kletterführer: „Wetterstein Süd“ von Panico. Die Topos sind allerdings mit Vorsicht zu genießen. Angaben zur Anzahl der Bolts, Seillängenverlauf und Schwierigkeiten sind manchmal schlicht falsch. Mit etwas Erfahrung und dem Wissen, dass nicht immer alles so ist wie es im Führer steht, ist das aber kein Problem.
  • Ausrüstung: Bei allen Touren neben der normalen Alpinkletterausrüstung mindestens 50 Meter, besser 60 Meter Doppelseile sowie warme Kleidung (es ist immer kälter als man denkt…).

Ausrüstung für die unterschiedlichen Routentypen:

  • sanierte Klassiker: ein Satz Keile und evtl. ein paar mittlere Friends
  • teilweise mit bohrhakengesicherte Routen: Cams 0,3-3; Satz Keile; Bohrhakenlasche mit Mutter (in der „Friedenspfeife“ fehlte beides in einer Seillänge); zum Teil auch einzelne Cams doppelt und Microcams
  • nicht sanierte Klassiker: Cams 0,3-3, ein Satz Keile, ein paar Schlaghaken
  • Sportkletterrouten: nichts besonderes bzw. teilweise ein paar mittelgroße Cams

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