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Mit Kugel zum Kraxeln?

Klettern und Bouldern in der Schwangerschaft – geht das?

6 Minuten Lesezeit
Bouldern und Klettern in der Schwangerschaft? Ist das erlaubt und wenn ja, auf was muss Du achten? Das hat sich auch Autorin Annika gefragt und ist der Sache auf den Grund gegangen. Dabei nimmt sie sich ein Beispiel an der britischen Top-Boulderin Shauna Coxsey.

Disclaimer: Jede Schwangerschaft verläuft anders. Die hier vorgestellten Tipps beziehen sich auf eine komplikationslose Schwangerschaft und auf Frauen, die schon vor der Schwangerschaft geklettert haben. Wenn Du schwanger bouldern oder klettern möchtest, schadet es sicherlich nicht, das vorab mit Deinem Frauenarzt zu besprechen.

Letztes Jahr noch als Athletin bei Olympia in Tokyo – und jetzt schon Mutter einer kleinen Tochter. Das Besondere daran: Die britische Top-Boulderin Shauna Coxsey, die erfolgreichste britische Wettkampfboulderin überhaupt, hat in ihrer Schwangerschaft weiter gebouldert und trainiert. Und zwar nicht nur mit Mini-Bäuchlein in der Frühschwangerschaft, sondern selbst mit ausgewachsener Kugel bis zum errechneten Geburtstermin, und die ganze Reise auf Social Media geteilt.[1]

Die britische Wettkampf-Bolderin Shauna Coxsey...

Band of Birds

Die britische Wettkampf-Bolderin Shauna Coxsey…


Die britische Wettkampf-Bolderin Shauna Coxsey...

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…kletterte und trainierte auch in der Schwangerschaft – und zwar bis zum Schluss.


Shauna Coxsey boulderte die gesamte Schwangerschaft und dokumentierte es auf Instagram

Die Reaktionen in den Kommentarspalten waren überwiegend positiv und unterstützend, aber vereinzelt auch kritisch bis aggressiv.[2] Der schwerwiegendste Vorwurf: Sie würde beim Bouldern das Leben ihres Babys gefährden. Shauna Coxsey hat in verschiedenen britischen Medien reagiert: Ja, sie bewege sich beim Bouldern stets in ihrer Komfortzone und ja, sie könne auch Bewegungen kontrollieren, die von außen vielleicht gefährlich scheinen mögen, aber darum gehe es ihr letztlich gar nicht. Auch schwangere Frauen sollen selbst für sich entscheiden können, was sie tun und lassen möchten.[3]

Als Kletterin, die selbst zwei kleine Kinder hat und in beiden Schwangerschaften geklettert ist, aber auch als Feministin finde ich Shauna Coxseys Message großartig und freue mich über die coolen Bilder der starken Boulderin mit großem Babybauch. Gleichzeitig kenne ich persönlich natürlich auch die Zweifel und das Abwägen: Was kann ich mir und dem Kind in meinem Bauch zumuten, was ist zu viel? Darf ich das überhaupt? Und ich kenne auch die Blicke, die schwangere Kletterinnen in der Halle und am Fels taxieren, und die sich nicht immer positiv anfühlen. Lasst uns also mal nachforschen.

Shauna Coxsey fühlt, was ihrem Körper gut tut.

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Shauna Coxsey fühlt, was ihrem Körper gut tut.


Bouldern und Klettern in der Schwangerschaft – darf ich das?

Der sportmedizinische Standpunkt ist ganz klar: Ja! Allerdings mit ein paar Einschränkungen: das „Ja“ gilt für eine unkomplizierte Schwangerschaft, und für Frauen, die auch schon vor der Schwangerschaft geklettert oder gebouldert haben. Das schreibt Thomas Küpper in einem Beitrag zu „Klettern und Schwangerschaft“ in einem Fachbuch zu „Klettermedizin“, erschienen 2020. Doch nicht nur das: Sport in der Schwangerschaft ist generell mit vielen positiven Effekten assoziiert, auch wenn für das Klettern selbst nur wenige Studien existieren. Küpper gibt auch ein paar Empfehlungen, wie Kletterinnen ihren Sport auch mit größer werdender Kugel sicher ausüben können:

  • Nicht auf Höchstleistungen und schwere Durchstiege abzielen
  • Stürze vermeiden
  • Routen mit Bedacht auswählen
  • Überhänge mit wachsendem Bauch meiden
  • Im dritten Trimester eventuell einen Ganzkörpergurt wählen
  • Darüber hinaus weisen verschiedene Publikationen darauf hin, dass Schwangere sich nicht oder nicht regelmäßig in einer Höhe von mehr als 3.000 Metern aufhalten sollten[3].

Genau das war‘s, was ich als schwangere Kletterin intuitiv ohnehin schon getan habe – und auch die kletternden Mütter in meiner Umgebung haben es fast alle so gehalten.

Im ersten Trimester ihrer Schwangerschaft konnte Autorin Annika ohne Einschränkungen weiterklettern.

Annika Willer

Im ersten Trimester ihrer Schwangerschaft konnte Autorin Annika ohne Einschränkungen weiterklettern.


Im ersten Trimester ihrer Schwangerschaft konnte Autorin Annika ohne Einschränkungen weiterklettern.

Annika Willer

Im zweitem Trimester hat sie das Bouldern aufgegeben und sich aufs Klettern – später nur noch im Toprope – konzentriert.


Klettern im ersten, zweiten und dritten Trimester

Klettern in der Frühschwangerschaft ging bei mir noch ganz gut: Ich bin in meinen beiden Schwangerschaften erstmal normal weitergeklettert und konnte noch die eine oder andere Tour durchsteigen, bevor der Bauch zu wachsen begann. Dazu muss man wissen: ich habe einen sehr kontrollierten Kletterstil und bin so oder so eher ängstlich unterwegs. Mit wachsendem Bauch habe ich mich zunehmend im Toprope wohler gefühlt, und auch das Bouldern habe ich irgendwann im zweiten Trimester aufgegeben. Das macht mir nämlich einfach mehr Spaß, wenn ich auch schwere Bewegungen probieren kann.

Mit wachsendem Bauch habe ich mich zunehmend im Toprope wohlgefühlt.

In der Schwangerschaft mit meinem ersten Kind wurde mir um die 30. Woche der Gurt immer unpassender, die Schuhe zu unbequem und außerdem war es ein heißer Frühsommer –  die letzten Wochen bin ich dann lieber Schwimmen als Klettern gegangen. In der Schwangerschaft mit meinem zweiten Kind wollte ich länger dranbleiben, hatte mir extra-bequeme Kletterschuhe gekauft und war dabei, den optimalen Klettergurt für Schwangere zu testen, aber dann kam der erste Corona-Lockdown. Daher war für mich etwa in der 33. Woche gezwungenermaßen Schluss mit Klettern.

Für das dritte Trimester empfiehlt Sportmediziner Prof. Dr. Thomas Küpper evtl. das Tragen eines Ganzkörpergurtes.

Annika Willer

Für das dritte Trimester empfiehlt Sportmediziner Prof. Dr. Thomas Küpper evtl. das Tragen eines Ganzkörpergurtes.


Für das dritte Trimester empfiehlt Sportmediziner Prof. Dr. Thomas Küpper evtl. das Tragen eines Ganzkörpergurtes.

Annika Willer

Als ihr Bauch wuchs, griff auch Annika zum Ganzkörpergurt – er gab ihr mehr Sicherheit und saß einfach besser.


Nach der Geburt: wann darf ich wieder loslegen?

Oft wird empfohlen, mit dem Wiedereinstieg in den „leichten“ Sport bis nach dem Wochenbett zu warten, also sechs bis acht Wochen je nach Art der Geburt, dem eigenen körperlichen Empfinden und in Absprache mit der Frauenärztin. Danach dauert es aber noch Monate, bis die körperliche Rückbildung abgeschlossen ist. Mit „high impact“-Sportarten wie Joggen und vielen Ballsportarten wird meist eine längere Pause empfohlen, bis der Beckenboden die Belastungen wieder halten kann. [5] Aber was ist mit Klettern und Bouldern?

Klettern, Bouldern und der Beckenboden

Jede Kletterin weiß, dass Klettern und Bouldern nicht wie Joggen ist. Aber die Belastung auf den Beckenboden ist trotzdem da: sie entsteht hier durch den Druck der Muskeln in den Bauchraum bei spannungsintensiven Zügen, der sich nach unten als Druck auf den Beckenboden auswirken kann. Diesen Druck gilt es gering zu halten, das heißt: man sollte seine Bewegungen dahingehend anpassen, z.B. Überhänge und schwere Züge meiden und sehr genau auf den eigenen Körper hören. Auch das Abspringen beim Bouldern kann sich bemerkbar machen – aber wem es in der Schwangerschaft monatelang gelungen ist, nicht weit abzuspringen, dem wird das ja nun auch weiter möglich sein.

  • Podcasttipp zum Thema: Juliane Fritz von „Bin weg Bouldern“ im Gespräch mit Beckenbodentherapeutin Jana Hoschka über den Wiedereinstieg ins Bouldern.[6]

Nach den Geburten war ich jeweils nach rund 5 Wochen das erste Mal wieder in der Halle. Von „Training“ kann da aber keine Rede sein – eher ein paar gemütliche Routen machen, endlich mal wieder außer Haus kommen und mit Freunden ratschen. Mich hat überrascht, wie viel schwerer sich das Klettern nach der Geburt angefühlt hat: mit gerade verheilenden Geburtsverletzungen, crazy Hormonlage und dauerhungrigem Baby nebenbei. Für mich war das deutlich schwerer als mit Schwangerschaftsbauch!

Mich hat überrascht, wie viel schwerer sich das Klettern nach der Geburt angefühlt hat.

Bis zum ernsthaften Klettern hat es bei mir Monate gedauert – aber das ist okay, denn ich habe den Sport auch nochmal anders lieben gelernt. Das Draußen-Sein, wie viel Spaß schöne Bewegungen machen und wie wichtig es mir als Ausgleich zum Leben mit Job, Kleinkindern und Care-Arbeit es ist, einfach mal mit einer Freundin am Fels unterwegs zu sein. Klettern MIT Kindern ist nämlich die nächste Herausforderung, die es nach dem Klettern in der Schwangerschaft zu meistern gilt.

Kurzum: Es ist Dein Körper, auch wenn Du schwanger bist

Bei Shauna Coxeys letztem Instagram-Post vor der Geburt („40 weeks today – Happy Due Date“) sieht man sie noch durch einen anspruchsvollen Boulder bewegen, inklusive eines kleinen Seitwärts-Dynamos am Einstieg. Weiter oben unterstützt ihr Partner sie sichtlich mit den Händen und sie nimmt sich einen Henkel dazu, damit sie sich sicher durch die Wand bewegen kann. So kann’s gehen, mit großer Lust am Bouldern und purer Bewegungsfreude bis kurz vor der Geburt.

Auch in der 40. Schwangerschaftswoche kletterte Shauna Coxsey noch.

Band of Birds

Auch in der 40. Schwangerschaftswoche kletterte Shauna Coxsey noch.


Auch in der 40. Schwangerschaftswoche kletterte Shauna Coxsey noch.

Band of Birds

Doch sie lässt sich von ihrem Partner unterstützen und hat ihre Bewegungen unter Kontrolle.



Inhaltsverzeichnis und Quellenangaben

[1] https://www.instagram.com/accounts/login/?next=/shaunacoxsey/

[2] https://www.alpin.de/home/news/51799/artikel_schwanger-klettern-shitstorm-um-kletter-profi-shauna-coxsey.html#f

[3] DAV Panorama 05/2021, „Mit Babybauch in die Berge?“, Martin Roos

[4] https://www.theguardian.com/sport/2022/may/18/im-a-pregnant-woman-making-choices-shauna-coxsey-on-climbing-and-the-bullies-who-want-her-to-stop

[5] https://www.gesundheit.gv.at/leben/eltern/nach-der-geburt/sport-nach-der-geburt.html

[6] https://binwegbouldern.de/zurueck-zum-bouldern-nach-der-geburt/

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