Wir Deutschen lieben Zahlen. Besonders eindrücklich ist das jetzt in Corona-Zeiten zu sehen, wie wir versessen auf Infektionszahlen, Inzidenzwerte und R-Werte schauen. Aber an Zahlen lässt sich eben auch Leistung abmessen – das zeigt sich wiederum eindrücklich bei der Leistungsbeschreibung von Outdoor-Bekleidung: Wie wasserdicht ist diese Jacke genau? Wie atmungsaktiv ist sie? Wassersäule: 25.000 mm, MVTR-Wert 30.000 g/m2/24h – oder darf’s noch a bisserl mehr sein?
Wassersäule 25.000 mm – oder darf’s noch a bisserl mehr sein?
An und für sich eine schöne Sache, denn mit solchen Werten lassen sich Dinge vergleichen, wie zum Beispiel Regenjacken. Ich mache das auch gerne mal. Problematisch wird es aber, wenn wir nach dem Nonplusultra streben, auch wenn wir es nicht zwingend brauchen. Denn das lässt sich oft nur auf Kosten der Umwelt erreichen bzw. produzieren.
High Performance = hohe Kosten für die Umwelt
Auf diese Problematik machte Greenpeace schon 2012 in seiner Kampagne „detox outdoor“ aufmerksam. Ob Membran oder Imprägnierung, bei der Herstellung wasserdichter Outdoor-Ausrüstung werden häufig noch immer problematische per- und polyfluorierte Chemikalien (PFCs) freigesetzt. Auch beim Waschen der Outdoor-Bekleidung lösen sich diese umweltschädlichen Chemikalien und gelangen ins Wasser. Greenpeace konnte PFC – das zu 50 Prozent bei der textilen Produktion freigesetzt wird – bei Expeditionen auf der ganzen Welt, von der Arktis bis in die Antarktis, nachweisen. Beim Menschen lagert sich die Chemikalie vor allem im Blut an und kann die Organe schädigen und in den Hormonhaushalt eingreifen.
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Okay, das klingt besorgniserregend. Aber deshalb auf der nächsten Tour nass werden? Das wollen wir natürlich auch nicht. Die gute Nachricht: Seitens der Industrie gibt es immer mehr Bemühungen, umweltfreundliche und sogar zirkuläre Produkte zu entwickeln. Der Fußtritt, den Greenpeace damals der Outdoor-Industrie verpasst hat, zeigt langsam Wirkung. Zu welchen Maßnahmen sich die einzelnen Brands selbst verpflichtet haben, hat Greenpeace in einem Factsheet zusammengefasst.
Brauche ich das wirklich?
In meinen Augen lautet die wichtigste Aufgabe von uns als Konsumenten, regelmäßig zu fragen: Brauche ich das wirklich? Muss meine Jacke, mit der ich ein Hüttenwochenende im Sommer plane, wirklich eine Wassersäule von 20.000 und mehr haben? Fun Fact: Laut europäischer Norm (ISO 811) gilt ein Bekleidungsstück bei einer Wassersäule von 1.300 mm bereits als „wasserdicht“. Wenn Du also nicht gerade während einer ausgeprägten Regenperiode einen zweiwöchigen Trek planst, sind 28.000 mm Wassersäule möglicherweise gar nicht nötig.
Patagonia
Hinterfragen wir das, was wir zu brauchen meinen
Ich finde, dass das den aktuellen Zeitgeist (auch vor dem Corona-Hintergrund) ganz gut trifft: Es geht oft auch eine Nummer kleiner. Sei es bei der Urlaubsreise, beim Kinder-Wochenend-Bespaßungsprogramm oder eben bei Deiner Regenjacke. Hinterfragen wir das, was wir zu brauchen meinen.
Kann sein, dass Du nach reiflicher Überlegung zu dem Schluss kommst, dass Du diese Regenjacke auf jeden Fall brauchst – und klar, wir sind ein Shop. Wir verkaufen Regenjacken. Aber auch dann kannst Du noch etwas tun: Kaufe nicht „überdimensioniert“. Pflege Deine Jacke gut, wasche sie nur, wenn das wirklich nötig ist und achte auf umweltfreundliches Waschen. So hast Du viele Jahre etwas von ihr und schonst damit auch die Umwelt.