Yoga ist rosa, weiblich, gesund und vegan. Wer schonmal durch die Yogaabteilung verschiedener Sportläden geschlendert ist, weiß, wovon ich rede. Farblich und stimmungstechnisch hast Du als Mann irgendwie immer das Gefühl, fehl am Platz zu sein. Yoga wird als Entspannungstechnik gepriesen, mit wahnsinnigen Verrenkungen, mit Ernährung und Spiritualität verknüpft. Die optimale Mischung für eine perfekte Welt, oder?
Ein Fleischesser, der Yoga macht
Was hat das jetzt aber mit mir zu tun? Ich bin männlich, sportlich, aber nicht gerade besonders beweglich, Fleischesser und die meiste Zeit ziemlich im Stress. Mit der Welt, die ich dem Vorurteil nach angehören würde – also der Fitnessstudio-Welt – konnte ich aber dummerweise noch nie etwas anfangen. Daher habe ich vor etwa drei Jahren Yoga für mich entdeckt.
Raphael Kottmeier
Yoga ist rosa, weiblich, gesund und vegan. Klingt nicht besonders männlich, oder?
Rahphael Kottmeier
Yoga kann aber vor allem eines sein: furchtbar anstrengend! Und wenn Du es mit der richtigen Intensität machst, geht auch der Puls ordentlich unter die Decke. Außerdem ist es für die korrekte Ausführung einer Asana gar nicht notwendig, die Pose bis ins absolute Maximum Deiner Beweglichkeit zu pressen, im Gegenteil. Das schadet nur. Als ich mit Yoga angefangen habe, wusste ich das natürlich noch nicht. Trotzdem wollte ich das Experiment wagen und bin hängengeblieben.
Haben Männer Angst vor Yoga?
Bei uns bei Bergzeit hatte sich eine kleine Yoga-Gruppe gebildet und ich habe mich – ehrlicherweise nach einem kleinen Stupser meiner Freundin – hingewagt. Klar, die ersten Stunden waren ziemlich schmerzhaft. Und dennoch habe ich bald gemerkt, dass ich beim Laufen etwas schneller werde, beim Radfahren etwas tiefer in die Position komme und ein kleines bisschen entspannter durchs Leben komme – zumindest in den ersten Stunden nach der Einheit. Nachdem ich es im Moment nicht schaffe, regelmäßig dranzubleiben, merke ich aber auch, dass der Fortschritt etwas stockt. Macht nix, eines Tages wird das Leben auch wieder ruhiger. Was mir im Laufe der letzten drei Jahre aber auch immer wieder aufgefallen ist: Berührungsängste meiner männlichen Kollegen.
Bei Bergzeit kann man in den Yoga-Raum von außen reinschauen, weil es sich eigentlich um einen Präsentationsraum für neue Kollektionen handelt… und am Anfang siehst Du einfach nicht so elegant aus, wie auf den Zeitschriften-Covers und dem neuesten Yoga-Buch aus der Auslage des Buchladens. Das hat mir persönlich nichts ausgemacht… und trotzdem kamen immer wieder ungläubige Blicke und Kommentare: „Wie, Du willst dich da zum Affen machen?…“ Leider ist es aber nicht nur bei Bergzeit so… Auch wenn keiner in den Raum reinschauen kann.
Raphael Kottmeier
Zur Corona-Zeit wurde dann das Yoga ins Internet verlegt. Auch wenn ich in dieser Zeit vom Betriebs- Yoga zu anderen Trainern gewechselt habe und nur noch sporadisch reingeschaut habe, waren plötzlich auch die größten Yoga-Verächter mit dabei und gaben sogar zu: „Ja, es hat mir gutgetan!“. Was ich mich im Nachhinein frage: Warum fällt es uns Männern eigentlich so schwer zuzugeben, Yoga zu machen? Eigentlich wäre das ganz einfach… aber dennoch ungemein schwer… und irgendwie hängt das auch mit meinem Einstieg zusammen: gesund, spirituell, rosa, samtweich und so weiter.
Ursprünglich war Yoga eine Männerdomäne
Lustigerweise ist das eine krasse Interpretation, die die westliche Welt da entwickelt hat. Ursprünglich wurde die Yoga-Lehre von Männern in Indien entwickelt und ausschließlich von Männern ausgeübt. Außerdem sind die Asanas auch nur ein Schritt zur Perfektion und keinesfalls der einzige Ausdruck von Yoga.
Julie Ricard | unsplash
Männer, macht mehr Yoga!
Die Kunst besteht daher eigentlich nur darin, sich von den superbeweglichen Covermodels (oder Kolleginnen) zu lösen und einzusehen: Ich werde hier stärker, beweglicher, stärke meinen Geist, meine Konzentration und nach einiger Zeit auch das Selbstbewusstsein. Ich für meinen Teil war megastolz, nach einem halben Jahr 15 Sekunden im Kopfstand auszuhalten… Auch wenn das erfahrene Yogis und Yoginis über Minuten, wenn nicht sogar länger durchhalten. Und wem der spirituelle Teil von Yoga nicht gefällt, muss diesen Teil ja auch nicht unbedingt praktizieren, auch wenn es die Yoga-Erfahrung erweitern kann.
Löst Euch von den superbeweglichen Yoga-Models auf Instagram & Co. und traut Euch!
Raphael Kottmeier
In „normalen“ Sportarten kommen wir doch auch nicht auf die Idee, uns direkt mit den Weltrekordhaltern zu vergleichen, oder? Und auch der fällt ja nicht vom Himmel, sondern hat jahrelang, jahrzehntelang darauf hingearbeitet und musste nebenbei nicht auch noch arbeiten, Kinder großziehen, evtl. noch nicht mal Kochen. All das müssen wir Normalsterblichen ja auch noch erledigen…
Raphael Kottmeier
Daher mein klarer Appell an uns unbewegliche Jungs mit fraglichen Essgewohnheiten und einer gewissen Abneigung gegen rosa Yogamatten: Macht mehr Yoga und gebt es auch zu! Die Welt wird es uns danken und vielleicht wird dann irgendwann auch der Gang durch die Yogaabteilung nicht mehr so unangenehm.
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