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Bouldern draußen & für alle!

Kraxlkollektiv: Kostenlose Boulderwände in München

4 Minuten Lesezeit
Boulderhalle zu? Kein Problem, es gibt eine Münchner Initiative, die sich dafür einsetzt, öffentliche Boulderflächen in der Stadt allen zugänglich zu machen. Bergzeit Autor Lukas traf sich mit den Initiatoren.

Monatelang lief gar nichts bei mir und Bouldern: Die Hallen dicht, der Winter kalt und die Motivation muss irgendwo zwischen Lockdown-Light und Brücken-Lockdown verloren gegangen sein. Dann stieß ich per Zufall auf eine Online-Stadtkarte mit öffentlich zugänglichen Boulderwänden mitten in München. An einem frühlingshaften Wochenende im April beendete ich endlich meinen persönlichen Boulder-Lockdown – gemeinsam mit dem Kraxlkollektiv.

Das Kraxlkollektiv setzt sich für die Errichtung neuer und anspruchsvollerer Boulderwände in München ein.

Sophie Rittmeier

Das Kraxlkollektiv setzt sich für die Errichtung neuer und anspruchsvollerer Boulderwände in München ein.


Das Kraxlkollektiv setzt sich für die Errichtung neuer und anspruchsvollerer Boulderwände in München ein.

Sophie Rittmeier

Die Boulderspots sollen allen zugänglich gemacht werden, da nicht jeder den Eintritt in eine Boulderhalle bezahlen kann.


Öffentlich zugängliche Boulderspots auf einer Karte

Ein kleiner hellgrüner Fleck bei Google Maps: An der Pelkovenstraße im Norden Münchens, direkt am Olympia-Einkaufszentrum, soll eine Boulderwand stehen. So steht es auf der Website des Kraxlkollektivs. Und tatsächlich: Neben einem Spielplatz mit großer Rutsche, einem asphaltierten Bolzplatz und einer großen Spielwiese steht eine Wand aus Spritzbeton in Wellenform. An dessen Oberfläche sind Bouldergriffe angeschraubt, manche übersprüht von Graffiti.

Es ist einer von mehreren Dutzend öffentlich zugänglichen Boulderspots in München, die das Kraxlkollektiv auf seiner Website aufgelistet und beschrieben hat. Das Kollektiv ist ein Zusammenschluss von rund 20 bergsportbegeisterten Münchnerinnen und Münchnern, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, nicht nur bestehende Spots im öffentlichen Raum bekannter zu machen, sondern auch dafür zu sorgen, dass mehr innerstädtische Flächen für Boulderwände zur Verfügung gestellt werden.

Per Fuchs ist seit einem guten Jahr beim Kraxlkollektiv. Er empfängt mich an der Boulderwand am Olympia-Einkaufszentrum. Auch für ihn ist es das erste Mal an dieser Wand und er wirkt positiv überrascht von dem Standort und der Qualität der Wand. “Das ist besser als an vielen anderen Orten, das werde ich mir merken”, sagt er. Per berichtet, dass seine Boulderpause gerade mal von Dezember bis Januar ging. Den Bouldermöglichkeiten im öffentlichem Raum Münchens sei Dank. Ich dagegen packe im April zum ersten Mal seit Oktober 2020 meine Kletterschuhe aus, ziehe sie an und schreite zur Tat. Die Wand ist senkrecht, etwa drei Meter hoch und ungefähr 20 Meter lang.

Direkt am Olympia-Einkaufszentrum in München trifft sich Bergzeit Autor Lukas an dieser öffentlichen Boulderwand mit dem Kraxlkollektiv.

Lukas Scheid

Direkt am Olympia-Einkaufszentrum in München trifft sich Bergzeit Autor Lukas an dieser öffentlichen Boulderwand mit dem Kraxlkollektiv.


Spielplatz-Boulder nur mäßig anspruchsvoll

Aus Gewohnheit verlaufen meine ersten Aufwärmboulder in die Höhe. Doch schnell wird klar: Die Herausforderung an dieser Wand liegt in den Traversen. Fünf verschiedene Grifffarben geben fünf verschiedene querverlaufende Routen entlang der ganzen Wand vor. Manche Passagen sind mit dicken Henkeln versehen, andere verlangen Griffkraft an kleinen Leisten ab. Sogar die unebene Wandstruktur ist mit einigen kleinen Griffmöglichkeiten in die Routen integriert und verleiht dem Ort beinahe felsartiges Feeling – zumindest nach so langer Abstinenz.

Der Boden ist mit Rindenmulch abgedeckt. Dieser ist zwar nicht so weich wie die Matratzen, die man aus der Boulderhalle kennt, doch weil alle Routen entlang der senkrechten Wand verlaufen, landet man selbst bei hohen Stürzen aufrecht auf dem Boden. Per schätzt diesen Spot “tendenziell anspruchsvoller” ein als andere, die er in München kennt. Doch wenn man ehrlich ist, allzu lange kann die Wand an der Pelkovenstraße keine echten Herausforderungen bieten. Die Routen sind seit Aufstellung der Wand nicht verändert worden und wer regelmäßig bouldert, wird hier kaum an die eigenen Grenzen gehen können.

Bouldern für alle, ohne Blick ins Portmonnaie

Genau deshalb setzt sich das Kraxlkollektiv auch für die Errichtung neuer und anspruchsvollerer Boulderwände ein, erklärt Per. Sein Traum wäre eine öffentliche Wand, die regelmäßig umgeschraubt wird. Eine Wand, die sich wirklich als Trainingsmöglichkeit zum Klettern eignet und trotzdem kostenfrei nutzbar ist. Denn auch darum geht es dem Kollektiv: Bouldern soll kein Sport für jene sein, die sich 12 bis 15 Euro Eintrittsgeld in die Boulder- oder Kletterhalle leisten können. Ähnlich wie bei Skaterparks, die inzwischen standardmäßig zum innerstädtischen Inventar dazugehören, sollen auch künstliche Boulderwände frei für alle Bergsportlerinnen und –sportler zugänglich sein.

So macht Bouldern Spaß: In Bestlage an der Münchner Isar sieht man immer häufiger nicht nur Spaziergänger, sondern auch Boulderer.

Sophie Rittmeier

So macht Bouldern Spaß: In Bestlage an der Münchner Isar sieht man immer häufiger nicht nur Spaziergänger, sondern auch Boulderer.


Die Münchnerinnen und Münchner vom Kraxlkollektiv sind nicht die ersten hierzulande, die auf eine solche Idee kamen. In Stuttgart ist aus der Initiative Boulderblöckle ein Verein geworden, der eine Art mobiles Moon-Board mit 35 Grad-Neigung inmitten der Stadt entwickelt hat. Nach diesem Vorbild hat das Kraxlkollektiv in der Vergangenheit schon mehrfach versucht eine ähnliche Wand mit anspruchsvollen und umschraubbaren Routen in München zu realisieren. Der erste Teilerfolg des Kollektivs war die Genehmigung einer Wand auf der Theresienwiese im Sommer 2020. Doch weil die Zusage so kurzfristig kam und die Gruppe die Wand selbst hätte finanzieren müssen, konnte das Projekt nicht umgesetzt werden.

Am „Sugar Mountain“ soll es klappen

Planskizze Sugar Mountain

Kraxlkollektiv München

Auf dem Gelände eines alten Betonwerks in München-Sendling entsteht der neue Kultur- und Veranstaltungsort „Sugar Mountain“. Eine Boulderwand ist Teil des Projektes.


Dafür soll es jetzt am “Sugar Mountain” klappen. Auf dem Gelände eines alten Betonwerks in München-Obersendling entsteht gerade ein neues Kulturprojekt. Ab Mitte Mai 2021 soll die Fabrikbrache Platz für Kunst, Kultur und eben den Sport schaffen. Um eine Boulderwand am Sugar Mountain zu realisieren, ist das Kollektiv auf Materialspenden angewiesen, sagt Maxi Gemsjäger, der Gründer des Kollektivs. Holz, Schrauben und Werkzeuge werden ab sofort benötigt. Griffe für die Boulderwand liegen bereits in seinem Keller, denn die Münchner Kletterhalle „Heavens Gate“ hat ihre alten an das Kollektiv gespendet.

Brachliegende Flächen, wie das alte Betonwerk, hat sich das Kraxlkollektiv ausgeguckt, um sie mit neuem Leben zu füllen. “Tote Orte” nennt Maxi diese Flächen. Eine alte nicht mehr genutzte Unterführung oder der Platz unter Eisenbahnbrücken – hier sieht der bergsportbegeisterte Architekt großes Potential für Boulderwände. “Die Orte sind überdacht und dadurch wettergeschützt”, erklärt er. Doch um ein solches Unterfangen in die Tat umzusetzen, sind zahlreiche Behördengänge, Anträge und Gespräche nötig. Es geht um Versicherungen, Haftung und die Finanzierung. Zwar bekommen die Münchner Unterstützung vom Boulderblöckle aus Stuttgart, doch die Erfahrungen mit den Behörden fallen in den verschiedenen Bundesländern unterschiedlich aus.

Mit dem „Sugar Mountain“ könnte sich die Arbeit des Kraxlkollektivs nun zum ersten Mal auszahlen. Maxi Gemsjäger ist zuversichtlich, dass es diesmal klappt und nicht kurzfristig an der Finanzierung scheitert. Dann stünde ab Mitte Mai eine öffentliche und kostenlose Boulderwand für alle Münchnerinnen und Münchner mitten in der Stadt. Bis dahin muss ich mich allerdings noch an der Betonwand an der Pelkovenstraße fit halten.

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