Gleich mal vorweg: Wenn es um das Unkner Heutal geht, bin ich etwas voreingenommen. Für mich ist es einer der schönsten Orte überhaupt. Hier habe ich meine wundervollsten Kindheitserinnerungen, denn hier habe ich das Skifahren (lieben) gelernt. Und wenn ich mal längere Zeit nicht dort war, wird die Sehnsucht riesig. Entsprechend groß war die Vorfreude auf das Wochenende – und die Anreise von Bad Reichenhall für mich nur ein 20-minütiger Katzensprung.
Eine ziemlich nasse Begrüßung
Das Heutal liegt zwar auf Unkner und somit auf österreichischem Gemeindegebiet, zählt aber noch zu den Chiemgauer Alpen. Rund acht Kilometer schraubt sich die Straße von Unken hinauf in das rund 1.000 Meter hoch gelegene Hochtal. Früher war sie eng und Gegenverkehr kein Spaß – aber diese Zeiten sind längst vorbei. Zudem war sie noch vor ein paar Wochen aufgrund der hohen Lawinengefahr gesperrt und das Heutal tagelang mehr oder weniger von der Außenwelt abgeschnitten. Nur für die Bergbauern gab es einen Notweg, damit sie ihre Milch ins Tal bringen konnten.
An unserem Anreise-Freitagabend schüttet es aber wie aus Kübeln, die Wolken hängen tief, die Schneefallgrenze ist nicht auszumachen und ich schimpfe ein bisschen mit „meinem“ Tal. Ich hätte den Frischluftkick-Teilnehmern einen freundlicheren ersten Eindruck gewünscht.
Katharina und Hansi aus Berchtesgaden sind schon da, Marithé und Lukas aus Ravensburg ebenfalls. Dazu gesellen sich Lena und Marie von Bergzeit sowie unser Skitourenführer Markus Staller, der ebenfalls stark vom Heutal-Schwärm-Virus befallen ist. Er lebt mit seiner Frau und den vier Kindern zwar bei Töging am Inn, hat aber ganz in der Nähe des Heutals eine Hütte gemietet.
Der Einstandsabend im Hotel Heutaler Hof geht gleich mal mit einem „Schneegestöber“-Cocktail los und endet mit einer großen Portion Eispalatschinken. Vollgefuttert schleppen wir uns in unsere Zimmer und sind gespannt ob der Wetterbericht fürs Wochenende hält, was er verspricht.
Tag 1: Skitanz mit Ausblick
Geht doch! Der Himmel ist klar und blau. Im Osten geht die Sonne hinter den Drei Brüdern (1.864m) auf und flutet das Heutal mit goldenem Licht. Wir können es kaum erwarten rauszukommen. Unser Ziel heute: über den Skitourenlehrpfad und dann weiter hinauf auf die Dürrnbachschneid. Es ist einer der Skitourenklassiker im Heutal und auch für weniger Geübte ein Genuss.
Die ersten 500 Höhenmeter erfolgen neben der Piste, lediglich die letzten 250 Höhenmeter sind freies Gelände. Für Skitourengeher gibt es für fünf Euro ein Ticket, darin inkludiert sind eine beliebige Liftfahrt und außerdem wird das Parkgeld zurückerstattet. Ein fairer Deal wie wir finden.
Markus erwartet uns schon vor dem Heutaler Hof, zur Verstärkung hat er seinen Kollegen Jürgen Juris mitgebracht. Wir gehen die drei Schritte bis zum Start des Tourenlehrpfades mit geschulterten Skiern und machen dort erstmal den LVS-Check. Ohne Notfallausrüstung, sprich Lawinenschaufel, Sonde und Verschüttetensuchgerät lässt Markus uns keinen Meter gehen, auch nicht auf der Piste. Aufgeteilt in zwei Gruppen marschieren wir auf der markierten Aufstiegsspur los und erfahren an sieben Stationen wichtiges rund ums Skitourengehen, auch wie man das Wetter und die Hangneigung richtig einschätzt werden erklärt. Wir sind zwar alle keine Anfänger, aber so eine Auffrischung schadet gar nicht.
An der Bergstation des dritten und damit letzten Heutalliftes endet der Pfad. Wir machen eine kurze Pause und gehen von da gemeinsam weiter hinauf zur Dürrnbachschneid. Die Spur zieht sich in leichten Serpentinen hinauf, der viele Schnee des Winters hat die Latschen komplett eingedeckt. Der Gipfel des Dürrnbachhorns (1776m) wäre über den Westgrat erreichbar, skitechnisch bringt er aber nicht viel und man sollte nur bei perfekten Bedingungen hinüber queren. Deshalb schenken wir uns die Meter und sehen uns stattdessen an der Aussicht satt. Gen Norden geht der Blick über den Chiemsee hinaus ins flache Land, gen Süden grüßen Loferer Steinberge, das Kitzbüheler Horn, der Wilde Kaiser und weiter hinten die Hohen Tauern sowie im Osten der Nationalpark Berchtesgaden mit dem Watzmann.
Alle sind begeistert und ich fühle mich bestätigt: Es ist ein wundervoller Ort! Die Abfahrt entlockt uns mehr als nur einen Jauchzer. Eine dünne Schicht feiner Pulverschnee, der sich anfühlt wie Buttersahne. Wir fahren überwiegend abseits und passieren nur zum Schluss die Piste, um zur urigen Herbstalm zu kommen. Sie gehört zum Heutaler Hof und unser Gastgeber Manfred Vitzthum hat den Grill schon eingeheizt.
Versteckspiel mit Hund
Zurück beim Hotel wartet ein Spezialgast auf uns: Mischka. Eine zehnjährige Schäferhündin und ausgebildeter Suchhund der Salzburger Lawinen- und Vermisstensuchhundestaffel. Ihr Hundeführer Ralph Maier hat bereits eine ordentliche Schneehöhle ausgegraben. In der darf auch ich mich verstecken und von Mischka finden lassen. Für die Hündin ist das alles ein einziges Spielabenteuer. Wenn sie Verschüttete oder Vermisste sucht, macht sie das weil sie anschließend ihr Spielzeug bekommt und das ist das höchste für die muntere Fellnase – und auch für uns ein spannendes Erlebnis.
In dem Schneeloch ist es wärmer als ich dachte, Geräusche sind nur ganz gedämpft zu hören – kein Vergleich zu einer Lawinenverschüttung. Nach 15 Minuten in einer Lawine sinkt die Wahrscheinlichkeit jemanden lebend zu bergen übrigens gen null. Gut, dass Mischka mich natürlich sofort ausmacht und eifrig beginnt am Eingang der Höhle zu kratzen.
Tag 2: Sonntagshorn und Peitlingskopf
Am Sonntag weckt uns erneut strahlende Wintersonne. Wir steigen direkt beim Hotel in die Skibindungen und starten in Richtung Hochalm beziehungsweise Sonntagshorn (1.961m) oder Peitlingskopf (1.720m). Gemütlich gehen wir hintereinander her und machen bei einer kleinen Kapelle auf der Almfläche Rast.
Hier müssen wir uns entscheiden, wohin wir aufsteigen und man kann bereits sehen: Auf dem beliebten und bekannten Sonntagshorn ist ziemlich viel los, der Gipfelbereich ist gut gefüllt. Marithé, Lukas, Lena und Jürgen wollen trotzdem hinauf, wenn sie schon mal hier sind. Ich gehe mit Kathi, Hansi und Markus zum Peitlingskopf. Nicht nur weil dort deutlich weniger los ist, sondern weil die eher nördliche Hangausrichtung immer die besseren Schneeverhältnisse garantiert. Und genauso ist es.
Wir schweben über göttlichen Firn zurück und geradewegs in die Jausenstation Hochalm zu Klaus, Rudi und Margot. Bei ihnen gibt es die mit Abstand weltbesten Kaspressknödel, goldbraun in der Pfanne ausgebacken. Und ein Kaiserschmarrn oben drauf geht immer, schließlich haben wir 1.000 beziehungsweise 750 Höhenmeter absolviert. Die anderen sind auch schon da und so sitzen wir zusammen und merken gar nicht, wie die Zeit verfliegt.
Im Heutal-Virus
Nach der Talabfahrt schwingen wir am Heutaler Hof ab und müssen schweren Herzens die Heimreise antreten. Aber ich bin sowieso ganz bald wieder hier und die anderen vielleicht auch. Ich glaube es hat ihnen gefallen, scheint als hätte der Heutal Virus wieder zugeschlagen. Habe ich schon erwähnt, dass man hier auch wunderbar langlaufen, mountainbiken und wandern kann?