Bergzeit Magazin: Hallo Lea! Bevor Du gleich Dein Expertinnen-Wissen in puncto nachhaltiger Outdoor-Bekleidung für Kinder preisgibst, verrate uns doch kurz: Wer bist Du und was machst Du bei Bergzeit?
Lea Liebmann: Klar, gern. Ich bin Lea, seit mittlerweile acht Jahren als Produktmanagerin bei Bergzeit und bei uns im Bergzeit Shop insbesondere für das Thema nachhaltige Outdoorbekleidung für Kids verantwortlich. Nachdem ich selbst Mama bin, beschäftigt mich das Ganze dementsprechend privat und beruflich gleichermaßen.
Lea Liebmann
Bergzeit
Standards, Zertifizierungen und nachhaltige Materialien
Ganz grundsätzlich: Welches Kriterium deklariert Kinder-Outdoorbekleidung überhaupt als nachhaltig?
Da gibt es einige Faktoren, die nachhaltige Kinder-Outdoorwear ausmachen. Die PFC-freie Herstellung, die Produktion innerhalb Europas, der Einsatz reiner Bio-Baumwolle und die Zertifizierung mit dem Oekotex-Siegel gehören zu den bekanntesten allgemeingültigen Nachhaltigkeitsstandards. Alle Marken bei uns im Bergzeit Shop erfüllen mindestens eines dieser Kriterien. Die Basis ist also geschaffen.
Ortovox
Natürlich ist immer Luft nach oben, aber letztlich liegt es an den Endkonsumentinnen und -konsumenten, bei dieser Thematik in die Tiefe zu gehen und Marken inklusive ihrer Produkte vor dem Kauf kritisch zu hinterfragen.
Ist beispielsweise Merinowolle vielleicht die bessere Alternative für mein Kind? In welchen Materialien fühlt sich mein Kind wohl und gibt es die auch als nachhaltige Variante? Im Grunde lebe ich als Elternteil ja auch beruhigter in dem Wissen, dass mein Kind in umweltfreundlichen, fair produzierten, hochwertigen Klamotten und Schuhen unterwegs ist.
Gleichzeitig ist auch klar: Die genannten Nachhaltigkeitskriterien müssen zukünftig weiter geschärft und noch prominenter kommuniziert werden – wie es bereits im Bereich der Erwachsenenbekleidung geschieht.
Warum ist Deiner Meinung nach der Nachhaltigkeitsgedanke gerade hier – also im Bereich Kinder-Outdoorbekleidung – so wichtig?
Als Hauptgrund sehe ich den sehr kurzen Lebenszyklus, den Kinder-Outdoortextilien haben. Die Kids wachsen, gerade in den ersten Lebensjahren, extrem schnell aus ihren Klamotten raus – so schnell schaut man gar nicht (lacht). Außerdem werden sie beim Spielen, Toben etc. ordentlich beansprucht. Deshalb sollten wir bedacht kaufen und auf robuste Bekleidung aus nachhaltigen Materialien setzen, statt auf die Schnelle Artikel in schlechter Qualität (nach)zukaufen. Da schneidet man sich als Eltern sonst ins eigene Fleisch.
Wir sollten Kinderbekleidung bedacht und qualitativ hochwertig kaufen.
Bergzeit
Icebreaker
Apropos nachhaltige Materialien: Was sind die drei beliebtesten nachhaltigen Materialien in der Produktion von Kinder-Outdoorwear?
Im Bereich der Naturfasern am meisten verwendet wird die klassische Bio-Baumwolle. Aber es schwören auch immer mehr Eltern auf Merinowolle, wenn es um ihre Kleinen geht. Schließlich sorgt Merino für ein gutes Körperklima und hat eine temperaturausgleichende Wirkung. Ein Naturmaterial, das gerade empfindlicher Kinderhaut extrem gut tut. Ein wichtiges Siegel im Bereich biologisch erzeugter Naturfasern ist das GOTS-Siegel (Global Organic Textile Standard).
Recyceltes Polyester ist eine weitere, vergleichsweise günstige Material-Alternative. Der Recycling-Aspekt steht dabei zwar im Sinne der Nachhaltigkeit, allerdings weist es exakt die gleichen Eigenschaften wie herkömmliches Polyester auf. Sprich, das Mikroplastik-Problem und die – tendenziell negativen – Auswirkungen auf die (Haut-)Gesundheit sind damit nicht gelöst.
Wenn Eltern Nachhaltigkeit und die Gesundheit ihres Kindes unter einen Hut bringen möchten, dann ist das Oekotex-Label ein sehr guter Indikator. Das standardisierte Siegel kennzeichnet Textilien, die erfolgreich auf potenzielle Schadstoffe hin überprüft und umweltschonend sowie fair hergestellt wurden. Es lohnt sich vor dem Kauf entsprechend ein kritisch-prüfender Blick auf das Etikett bzw in die Produktbeschreibung.
Nachhaltige Kinderbekleidung bei Bergzeit
Jetzt entdeckenNachhaltige Outdoorbekleidung für Kinder vs. Erwachsene
Für Erwachsene gibt es im Bereich nachhaltiger Outdoor-Produkte mittlerweile schon eine sehr große Produkt- und Markenauswahl. Aber wie sieht es bei den Kids aus?
An sich ist das Know-how für die Kidsbranche auf jeden Fall da, weil man ja schon seit geraumer Zeit nachhaltige Outdoorbekleidung für Erwachsene herstellt. Dennoch stelle ich immer wieder fest, dass die Auswahl bei Kindern noch nicht so groß ist wie im Erwachsenenbereich.
Ein Feld, das noch sehr ausbaufähig ist, sind nachhaltige Kinderschuhe, insbesondere Barfußschuhe.
Bergzeit
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Und woran hakt es genau, wenn doch das Know-how aus der Produktion für nachhaltige Erwachsenenbekleidung schon da ist?
Die Produktions- und Materialkosten sind im Bereich der Kinder-Outdoorbekleidung exakt die gleichen wie im Erwachsenenbereich. Das spiegelt sich natürlich in den Verkaufspreisen wider.
Das Problem: Der Lebenszyklus von Kindertextilien ist deutlich kürzer, da die Kleinen ruckzuck aus ihren Klamotten rauswachsen. Dementsprechend gering ist auch die Bereitschaft seitens vieler Eltern, mehr Geld für hochwertige, nachhaltige Outdoorbekleidung für ihre Jüngsten auszugeben. Was dabei oft vergessen wird bzw. leider unter den Tisch fällt: Kinder tragen ihre Sachen natürlich viel, viel intensiver als Erwachsene.
Die Nachfrage nach nachhaltig produzierter Kinder-Outdoorbekleidung ist bisher nicht annähernd so hoch wie im Erwachsenenbereich.
Die Nachfrage ist also noch nicht annähernd so hoch wie im Erwachsenenbereich. Folglich ist die Produktion nachhaltiger Kinder-Outdoortextilien bei vielen Marken aktuell eher ein Goodwill, aber aus unternehmerischer Perspektive längst nicht profitabel.
Stichwort „kurzer Lebenszyklus“: Viele Eltern können ihre Kinder nicht ständig neu und nachhaltig ausstatten. Welche weiteren Ansätze im Sinne der Nachhaltigkeit gibt es?
Das kann ich als Mama gut nachvollziehen. Man muss nicht immer auf neue Bekleidung setzen, da gibt es mittlerweile sehr gute und günstige nachhaltige Alternativen.
Manche Hersteller bieten beispielsweise das Saumerweitern an. Das ist eine Art Mitwachsfunktion, welche die Tragedauer verlängert, sodass Klamotten länger getragen werden können. Meist kann der Saum um zwei bis vier Zentimeter herausgenommen und das Kleidungsstück um ganze ein bis zwei Jahre länger getragen werden. Das gibt es bei Jacken und Hosen, zum Beispiel von Patagonia und Isbjörn of Sweden. Geniales Konzept!
Noch mehr mitwachsende Kinderkleidung bei Bergzeit
Jetzt entdeckenAußerdem gibt’s natürlich immer die Second-Hand-Option, also Sachen an Geschwister, Freunde oder Wohltätigkeitsorganisationen weiterzuvererben bzw. selbst gebraucht zu kaufen. Dieses Modell unterstützen wir auch bei Bergzeit RE-USE, unserem neuen Online-Second-Hand-Shop für Outdoor-Artikel, wo es natürlich auch Kidsbekleidung gibt.
Entdecke Second Hand Kleidung für Kinder
Bergzeit RE-USEUnd last but not least bieten ein paar wenige Outdoor-Unternehmen einen Reparaturservice für beschädigte Produkte ihrer Marke an. Eine super Sache, wie ich finde! Einziges Manko: Das Ganze steckt buchstäblich noch in den Kinderschuhen und ist im Moment erst am Anlaufen. Im Kinderbereich bieten das bisher nur vereinzelt Hersteller an, die ohnehin im Erwachsenenbereich bereits aktiv sind.
Bergzeit
Patagonia
Was gibt es im Bereich nachhaltige Kinder-Outdoormode?
Wie schätzt Du persönlich die Entwicklung nachhaltiger Outdoorbekleidung für Kinder ein? Ein Segment mit Zukunftspotenzial?
Ich denke und hoffe, dass Nachhaltigkeit auch im Bereich der Outdoortextilien für Kids weiterhin an Fahrt aufnimmt. Was es meiner Meinung nach seitens der Endkonsumentinnen und -konsumenten braucht, damit dieses Segment zukünftig bestehen kann: Überzeugung, Motivation zu mehr Nachhaltigkeit, beständige Kaufbereitschaft und eine kritische Auseinandersetzung mit der Thematik.
Ich denke, dass Nachhaltigkeit auch im Bereich der Outdoorbekleidung für Kinder zunehmend an Fahrt aufnimmt.
Die Aufgabe der Marken und Hersteller liegt vor allem darin, weiterhin verstärkt Aufklärungsarbeit zu leisten, möglichst intensiv zu kommunizieren und als gutes, authentisches Beispiel zu agieren. Viele skandinavische Marken machen das schon sehr, sehr gut.
Welche Brands sind besonders stark und vor allem authentisch in puncto nachhaltige Kinder-Outdoorbekleidung unterwegs?
Da gibt es einige Hersteller, die im positiven Sinne aus der Reihe tanzen. Allen voran Vaude, Patagonia, Engel Natur, Pickapooh, Reima, Isbjörn, BMS und Finkid. Auch Bergans und Salewa kann man hier nennen.
Sie produzieren in Europa, führen Artikel aus Merinowolle, fertigen Produkte nach Bedarf, vermeiden lange Verschiffungen, legen Wert auf faire Arbeitsbedingungen sowie eine faire Bezahlung etc. All diese Kriterien sind extrem wichtig und deswegen führen wir sie gerne als Marken bei uns im Bergzeit Shop.
Isbjörn
Was ist Dein liebstes nachhaltiges Kids-Produkt im Bergzeit Shop? Was zieht Dein Kind am liebsten an?
Oh, da gibt’s sogar drei Lieblingsartikel. Das ist zum einen die Baby Snow Pile Jacke und der Snow Pile One-Piece – beides von Patagonia. Die halten extrem gut warm und sind robust. Damit schicke ich mein Kind auch im Winter guten Gewissens an die frische Luft zum Toben.
Zum anderen liebe ich die neue Kinder Krabbelhose Baby Buddy von BMS. Sie ist perfekt für kleine Kinderfüße, wenn es draußen nass und matschig ist und Gummistiefel noch gar nicht in Frage kommen, weil sie eben noch nicht gehen können. Damit können die Kleinen draußen die Welt ohne nasse Füße, aber mit jeder Menge Spaß entdecken.
Podcast-Tipp: Nachhaltige Outdoor-Kleidung für Kinder
Du möchtest mehr von unserer Bergzeit Expertin Lea zum Thema nachhaltige Kinderkleidung erfahren? In dieser Beratungsfolge des Bergzeit Podcast steht sie unserem Moderator Jan Frage und Antwort:
Viel Spaß beim Hören!