In den Bergen finden wir Ruhe und Entspannung und die Möglichkeit, auf andere Gedanken zu kommen. Alleine sind wir dabei nicht. Um anderen Wanderern, Bikern und Kletterern einen Schritt voraus zu sein, stehen viele immer früher auf und auch sogenannte „Geheimtipps“ sind dank Internet meist keine mehr.
Probleme für die Tierwelt
Ruhe und Abgeschiedenheit werden dadurch immer weniger. Mehr Menschen, die häufiger und länger in der Natur unterwegs sind, führen in der Tierwelt zu Problemen.
- Die wichtigste Regel: Sonnenaufgangszeit für Touren meiden
- Nicht in den Dämmerungs- und Nachtstunden unterwegs sein
- Kritischste Jahreszeit: April bis Juli (Balz und Brutzeit), im Winter
- Touren immer mit Karten, die das DAV-Gütesiegel “Natürlich auf Tour!“ tragen, oder entsprechend ausgestatteten Onlinetools planen
- Am Ausgangspunkt und im Gelände auf Hinweistafeln und Routenempfehlungen achten
- Lärm vermeiden
- Lebensräume erkennen: Wildtiere nur aus der Distanz beobachten, Futterstellen umgehen, Hunde anleinen
- Auf üblichen Forst- und Wanderwegen bleiben, nicht querfeldein auf- und absteigen
- Abstand zu Baum- und Strauchgruppen halten
- Vegetation: Aufforstungen und Jungwald schonen
Ein Herz für Raufußhühner
Vor allem für die Raufußhühner, dazu gehören Alpenschneehühner, Birkhühner, Auerhühner und Haselhühner, ist die Masse an Bergsportlern ein Problem.
Während das Birkhuhn in den höheren Lagen der Alpen rund um die Latschenzone zu Hause ist, findet das Auerhuhn als typisches Waldhuhn in den Voralpen mit Laub- und Nadelbäumen und Lichtungen einen idealen Lebensraum. Er bietet Nahrung (z.B. Beeren) und Schutz vor den natürlichen Feinden Steinadler und Fuchs. Nicht nur – aber eben auch – durch die Zunahme an Menschen, die morgens immer früher ihren Lebensraum betreten und ihn abends immer später verlassen, sind die Raufußhühner massiv vom Aussterben bedroht.
Florian Bossert | Gebietsbetreuer Mangfallgebirge
Florian Bossert | Gebietsbetreuer Mangfallgebirge
Das ist nicht nur für sie, sondern auch für viele weitere Tiere ein Problem. Denn dort, wo Raufußhühner bevorzugt leben, leben auch viele andere Arten, die in Folge ebenfalls bedroht sind. Das wiederum führt zu erheblichen Veränderungen in unserer natürlichen Umgebung, die letztlich auch den Menschen betreffen.
Werden Wildtiere aus ihrem natürlichen Lebensraum vertrieben, gerät das Ökosystem ins Ungleichgewicht. Das passiert durch direkte Auswirkung (z.B. Verbissschäden) oder durch indirekte wie das Fehlen in der Nahrungskette (z.B. Birkhuhn für den Steinadler).
Florian Bossert | Gebietsbetreuer Mangfallgebirge
Warum Respekt nötig ist
Raufußhühner haben sich an die Jagdzeiten ihrer natürlichen Feinde angepasst. So jagt der Steinadler vom Vormittag bis in den späten Nachmittag. Deshalb sind die frühmorgendliche und abendliche Dämmerung die bevorzugten Zeiten für die Nahrungsaufnahme der Raufußhühner. Werden sie da von Menschen gestört, ist es ihnen nicht möglich, ihre Energiespeicher ausreichend zu füllen. Das erschöpft die Tiere auf Dauer und verringert ihre Überlebenschancen.
Zudem ist die Nachwuchschance und -rate viel geringer, wenn statt Vitalität und Kräftemessen eher Überlebenskampf zum Start der Brutsaison den Tagesablauf bestimmt. Balz- und Vogelbrutzeiten beginnen im März oder April und dauern bis Mitte Juni an. Das Entscheidende: Während der Balzzeit sind die Weibchen nur etwa zwei Tage empfangsbereit. Balz und Befruchtung beginnen ungefähr zum Sonnenaufgang und dauern 1,5-2 Stunden. Werden die Tiere dabei gestört, bekommen sie das ganze Jahr keinen Nachwuchs. Für eine vom Aussterben bedroht Art ist das eine Katastrophe.
Unternehmungen zur Zeit des Sonnenaufgangs sind sehr kritisch für die Tiere.
Florian Bossert, Gebietsbetreuer für das Mangfallgebirge
Florian Bossert, Gebietsbetreuer für das Mangfallgebirge am Landratsamt Miesbach, und seine Kollegen und Kolleginnen bitten deshalb eindringlich darum, zu dieser Zeit nicht unterwegs zu sein.
Pexels | Eberhard Grossgasteiger
Biwakieren am Berg ist verboten
„Dazu zählt natürlich auch Biwakieren“, so Bossert. Das ist dem Zelten mittlerweile rechtlich gleichgestellt und verboten. „Im vergangenen Frühsommer und Sommer haben wir an manchen Wochenenden an nur einem Gipfel bis zu 70 Biwakierende beobachtet. „Viele wissen, dass es verboten ist, meinen aber, dass es nicht kontrolliert wird“, erläutert er. „Wenn wir die Menschen darauf ansprechen und ihnen erklären, warum das so problematisch ist, reagieren die meisten positiv, sind einsichtig und steigen dann ab“, so der Gebietsbetreuer weiter. Allerdings gebe es Wanderer, die trotzdem noch schnell auf den Gipfel gehen wollen, um den Sonnenaufgang zu genießen.
Aber genau das sei dann schon zu viel für die Tiere. „Wie würde es Ihnen gehen, wenn ständig, also auch nachts, fremde Besucher durch Ihr Schlafzimmer gingen – und das auch noch zu der Zeit im Jahr, in der Sie die Damen besonders beeindrucken wollen. Da klappt es dann einfach nicht mit dem Nachwuchs“, veranschaulicht Bossert.
Daniela Feige
Florian Bossert
Ähnliches beobachtet auch Daniela Feige, Gebietsbetreuerin vom Landratsamt Garmisch-Partenkirchen. Alte Pfade und Jägersteige würden wiederentdeckt oder es werde auch mal querfeldein gegangen.
Wildtiere sind an räumlich vorhersehbare Störungen am besten gewöhnt, daher ist es so wichtig auf den markierten Wegen zu bleiben.
Daniela Feige, Gebietsbetreuerin vom Landratsamt Garmisch-Partenkirchen
„Plötzliches, unvorhersehbares Zusammentreffen mit Menschen führt bei Wildtieren zu energieraubenden Fluchten“, erklärt Feige. Die Tiere würden zudem gezwungen, in Bereiche auszuweichen, die unter Umständen zur Nahrungsaufnahme weniger gut geeignet sind.
Auch sie beobachtet, dass immer mehr Bergsportler zunehmend auch in den Dämmerungs- und Nachtzeiten unterwegs sind. „Für Tiere, die wegen der Störungen tagsüber zur Nahrungsaufnahme auf die Nacht ausweichen, verringert sich nun auch noch die Zeit, die ihnen nachts zur Verfügung stände. Das Gleiche gilt natürlich für die ohnehin nachtaktiven Tieren, deren Sinnesorgane ganz und gar auf die nächtlichen Verhältnisse eingestellt sind.“
Sensibilisierung und Akzeptanz statt Verbote
Touren naturverträglich planen
Da Touren bekanntermaßen bei der Planung anfangen, kann man schon zu Hause dafür sorgen, dass man naturverträglich unterwegs ist. Hilfreich sind vor allem die Apps von alpenvereinaktiv.com und outdooractive.com. Hier sind Schutzzonen und Schongebiete eingetragen.
Für die Tourenplanung mit Karte rät Bossert zu den DAV-Karten mit dem DAV Gütesiegel „Natürlich auf Tour!“. Hier sind alle Wald-Wildschongebiete sowie die Wildschutzgebiete aufzeigt. Hierzu eignen sich beispielsweise die Alpenvereinskarten „BY-Bayerische Alpen“.
Bergzeit
Auf der Seite des Deutschen Alpenvereins findet man eine alphabetisch sortierte Beschreibung der Touren in den Bayerischen Alpen. Neu sind seit diesem Jahr Hinweisschilder im Gelände, die darauf hinweisen, dass der sensible Bereich erst nach 7 Uhr morgens betreten werden soll und vor 19 Uhr wieder verlassen werden sollte.
„Lassen Sie uns alle daran mitwirken, dass die Raufußhühner eine Chance haben zu überleben. Bitte gehen Sie aufmerksam und bewusst durch die Natur. Konsumieren Sie die Bergwelt nicht, sondern erleben Sie diese achtsam“, appelliert Bossert an uns alle. Wer auf dem Weg bleibt, seine Tour nicht vor Sonnenaufgang beginnt und vor Anbruch der Dunkelheit zurück ist, leistet hierzu einen großen Beitrag.