Die Mittelmeerinsel Sardinien gilt bei Kletterinnen und Kletterern aus der ganzen Welt als Top-Kletterrevier. Doch es ist nicht ganz einfach, ein umfassendes Bild vom Sportklettern und seinen Möglichkeiten auf Sardinien zu geben – die Klettermöglichkeiten scheinen unbegrenzt.
Im Folgenden gebe ich Dir einen Überblick über die verschiedenen Klettergebiete in Sardinien und erläutere Kletterstil und Art des Felsens. Zudem zeige ich Dir, welche Gebiete sich für welche Jahreszeit am besten eignen.
Nordsardinien
Die für das Sportklettern erschlossenen Gebiete liegen hauptsächlich um die Städte Sassari und Alghero. Es handelt sich ausschließlich um Kalkstein, wobei löchrige Kletterei vorherrscht.
Am Rande der Stadt Sassari gibt es eine große Anzahl von Sektoren mit einer Höhe zwischen 10 und 20 Metern, wobei es auch einige längere Routen gibt. Der Stil ist fast immer athletisch, was vor allem von Kletterern der neueren Hallen-Generation geschätzt wird. Der Schwierigkeitsgrad reicht von 6a bis 8b.
Denjenigen, die einfache Routen, eine panoramareiche Umgebung und wunderschöne Klettereien suchen, rate ich jedoch, diese Felsen zu Gunsten anderer auszulassen. Monteleone Roccadoria, 30 km von Alghero entfernt, erfüllt diese Anforderungen. Es gibt etwa hundert Routen, die zwischen 10 und 40 Meter lang sind und deren Schwierigkeitsgrad von 4 bis 8a+ reicht. Der Stil variiert von Platten bis zu Überhängen, je nach Sektor, aber im Allgemeinen ist das Klettern technischer und dynamischer als bei den Felsen von Sassari. Sonne am Nachmittag.
Maurizio Oviglia
Der letzte interessante Felsen im Norden Sardiniens ist die kleine Wand von Casarotto am Capo Caccia, die direkt dem Meer und den herrlichen Klippen dieses Vorgebirges zugewandt ist. Die Wand ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Aber Achtung: die Haken sind stark dem Salz ausgesetzt und daher nicht immer zuverlässig. In der Höhle findest Du zwanzig Routen von 5b bis 8a und eine super Umgebung nur einen Steinwurf von der schönen Stadt Alghero entfernt.
Der Südwesten, die Iglesiente
Der Südwesten Sardiniens ist zusammen mit dem Gebiet von Cala Gonone das Gebiet, in dem sich das Sportklettern seit Mitte der achtziger Jahre stark entwickelt hat. Wir können daher sagen, dass es sich zusammen mit Supramonte und Ogliastra um ein Gebiet handelt, das unbedingt einen Besuch wert ist.
Die Kletterfelsen teilen sich auf in solche, die an der Küste liegen, von denen einer der berühmte Masua ist, und solche, die in den Bergen des Landesinneren versteckt sind. Darunter das Gebiet von Punta Pilocca und Gutturu Pala, die sich im Gemeindegebiet von Fluminimaggiore befinden. Sie bieten grauen Kalkstein von außergewöhnlicher Qualität.
Maurizio Oviglia
Maurizio Oviglia
Das Hinterland von Domusnovas ist eine Welt für sich, ein großes Klettergebiet mit Dutzenden von Felsen und fast 800 Routen. Die Stile reichen von Platten bis zu überhängenden Höhlen, wobei einige Routen sogar 9a und 9b erreichen, eingerichtet von keinem Geringeren als Adam Ondra. Die Felsen von Domusnovas sind sehr heterogen, immer gut gepflegt und als Lieblingsgebiet der Kletterer aus Cagliari stark frequentiert. Es ist möglich, zu jeder Jahreszeit zu klettern. Von Platten über steiles Gelände bis hin zu Überhängen wird jeder das Richtige für sich finden.
An der Küste, in den Gebieten von Masua und Buggerru, gehört der Kalkstein zu den ältesten Kalksteingebieten in Europa. Deswegen ist er auch von hervorragender Qualität. Der Kletterstil ist technisch und die Absicherung gut. Obwohl das Gebiet in der Vergangenheit vom Bergbau stark ausgebeutet wurde, ist das gesamte Gebiet der Iglesiente ein wildes und faszinierendes Gebiet geblieben. Wenn Du statt Nachtleben eher auf einsame und romantische Sonnenuntergänge an fast menschenleeren Stränden stehst, ist der Südwesten genau das Richtige für Dich!
Das Zentrum von Sardinien
Das Hinterland von Sardinien hält einige interessante Klettergebiete für Dich bereit. Ganz besonders empfehle ich den Besuch von Isili, das in den neunziger Jahren für seine überhängenden Klippen berühmt wurde (in Isili gibt es keine Plattenrouten!), Samugheo und Monte Arci.
Maurizio Oviglia
Isili ist ein sehr kleines Gebiet, aber mit einer großen Anzahl von Felsen auf engem Raum. Es gibt fast 250 Routen, die auf eine Vielzahl von Sektoren verteilt sind. Die Schwierigkeiten reichen von 5a bis 8c. Nicht weit davon entfernt ist Samugheo, ein Kletter-Zentrum, das in den letzten Jahren eine große Entwicklung durchgemacht hat. Die Sektoren sind zahlreich, der Fels ist hervorragend und die Klettereien reichen von Platten bis zu Überhangen. Der einzige Nachteil von Samugheo ist der etwas steile und bergab verlaufende Zugang. Allerdings hat man sich in den letzten Jahren viel Mühe gegeben, die Wege zu markieren. Der Monte Arci ist ein atypischer Basaltfelsen, der sich in einer sehr aussichtsreichen Lage auf dem gleichnamigen Berg, nicht weit von Oristano, befindet. Der Kletterstil ist sportlich. Es gibt viele Risse und Routen mit kleinen Tritten.
Ogliastra
Dieses große Gebiet an der Ostküste unterhalb des Supramonte hat sich in den letzten Jahren zum bekanntesten und beliebtesten Sportklettergebiet Sardiniens entwickelt. Es gibt Dutzende von erschlossenen Felsen und Routen aller Stile und Schwierigkeiten.
Wir können zwei Bereiche unterscheiden, die sehr unterschiedlich sind, sich aber hervorragend zum Sportklettern eignen:
- im Norden das Gebiet von Baunei und
- im Süden, die Tacchi von Jerzu und Ulassai.
Ich empfehle, jedem Gebiet mindestens eine Woche zu widmen, eventuell abwechselnd, wenn man eine Unterkunft auf halbem Wege findet.
Baunei bietet eine perfekte Kombination aus Meer und Klettern. Die Felsen liegen an einer der schönsten und wildesten Küsten Europas. Plattenkletterei überwiegt, auch wenn es Höhlen und stark überhängende Routen gibt. Jeder Felsen ist in einen bemerkenswerten natürlichen Kontext eingebettet, der Baunei zu einem der beliebtesten Gebiete für europäische Kletterer macht. Neben den zahlreichen Kalksteinfelsen gibt es auch Granit und Porphyr, perfekt eingefügt wie Diamanten in einem Meer aus Kalkstein. Kurzum, das Angebot ist überwältigend.
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Maurizio Oviglia
Jerzu und Ulassai liegen nicht am Meer (obwohl sie nur 30 Autominuten davon entfernt sind), aber sie bieten eine Natur, die der von Katalonien sehr ähnlich ist und die ausdauernde Kletterer sehr schätzen. Breite Wandfluchten mit hervorragendem Fels warten mit hunderten von eingerichteten Routen auf. Ein Paradies, besonders für diejenigen, die lange, technische Anstiege bevorzugen. Große Überhänge sind selten, geklettert wird fast immer an wirklich spektakulären Felsen.
Das Supramonte
In dieser Hinsicht bleibt Cala Gonone ein perfektes Reiseziel. Auf jeden Fall empfehle ich, wie bereits erwähnt, einen Besuch der Felsen des Lanaitto-Tals oder von Genna Croce und Serra Oseli. Außergewöhnlicher grauer Kalkstein und (oft sehr) technische Kletterei.
Klettern auf Sardinien im Sommer oder Winter
Die ideale Zeit zum Klettern auf der Insel ist zweifelsohne die Zwischensaison, Frühling und Herbst. Es ist jedoch auch möglich, im Sommer und im Winter zu klettern, wenn man einige Richtlinien beachtet.
Winter
Die Winter auf Sardinien sind nie besonders regenreich. Wenn es regnet, dann nie lange. Im Spätherbst kann man zwar bemerkenswerte Überschwemmungen erleben, aber das sind außergewöhnliche Ereignisse.
Im Winter sind die empfehlenswertesten Felsen die von Roccadoria, Isili, Samugheo, Domusnovas, Masua, Cala Gonone, Quirra und Baunei.
Sommer
Die Sommer auf der Insel sind heiß, aber schwüle Tage sind Dank des Windes sehr selten. So kann es vorkommen, dass die Temperatur in den heißesten Stunden zwar 30 bis 35 Grad erreicht, vielleicht ein paar Grad mehr als im Norden Italiens, aber durch die geringe Luftfeuchtigkeit lässt es sich gut im Schatten aushalten. Im Sommer sind die Bergregionen der Küste zum Klettern vorzuziehen.
Auf Sardinien befinden sich die Gebiete zum Klettern in einer Höhe von etwa 600 bis 1000 Metern und sind alle in der Region der Tacchi di Jerzu (Ulassai, Osini, Ussassai und Jerzu) und des hohen Supramonte (Oliena und Urzulei) angesiedelt. In diesen Gebieten kann man während der Schattenstunden je nach Tageszeit bei einer akzeptablen Temperatur zwischen 20 und 30 Grad klettern,. Bläst der Mistral, sind die Temperatur und der Grip noch besser.
In der Nähe des Meeres kann man immer dann klettern, wenn es nicht besonders heiß ist. Einige der Felsen von Cala Gonone, Baunei, Domusnovas, bieten auch im Sommer gute Klettereien.
Maurizio Oviglia
Empfehlenswerte Kletterführer
Die Pietra di Luna-Führer, herausgegeben von Fabula (auf englisch), beinhalten seit 35 Jahren alle Felsen und langen Routen auf Sardinien. Im Jahr 2012 wurde die letzte Ausgabe von Pietra di Luna veröffentlicht, die ganz Sardinien abdeckt.
Seitdem wurden verschiedene Updates veröffentlicht, die einzelne Bereiche abdecken: Baunei, Jerzu/Ulassai und Domusnovas.
Im Jahr 2021 wurde ein Pietra di Luna-Führer veröffentlicht, der ausschließlich den Felsen von Cala Gonone und Umgebung (Oliena, Urzulei, Lula, Siniscola) gewidmet ist. Updates, neue Felsen und Bücher findest Du auch im Internet unter pietradiluna.com und planetmountain.com.
Stützpunkte
- In der Gegend von Cala Gonone und Baunei gibt es neben B&Bs auch Campingplätze (nur in der Sommersaison) und Ferienwohnungen.
- In Ulassai und Jerzu gibt es viele B&Bs und Pensionen.
- Das Gebiet von Iglesiente ist unter diesem Gesichtspunkt eher problematisch. B&B in Villamassargia und Nebida, Ferienwohnungen in Domusnovas.
- In Isili gibt es B&Bs und günstige Hotels für Bergsteiger.
Wildcampen wird derzeit in den Gebieten Ulassai, Jerzu, Iglesiente, Isili, Monteleone Roccadoria geduldet. Wo immer Du campst, respektiere Privateigentum und Tiere in freier Wildbahn.
Wichtig: Zerstöre oder beschädige niemals Bäume oder Stalaktiten in den Höhlen. Markiere Wege nicht mit Farbe, entferne keinen Sand oder Kieselsteine von Stränden.
Weitere nützliche Reisetipps
Die empfohlenen Fährverbindungen nach Sardinien sind Genua-Olbia und Livorno-Olbia. Es gibt Tag- und Nachtfahrten. In der Regel verkehren auf diesen Strecken drei oder vier Fähr-Unternehmen, die einfach online buchbar sind.
Mit dem Flugzeug: die empfohlenen Flughäfen sind Cagliari-Elmas, Olbia und Alghero. Hier ist es möglich, ein Mietautos zu buchen, hier macht es Sinn, die Preise zu vergleichen. Es gibt auch Anbieter, die Wohnmobile vermieten.