Inhalt
- Ausrüstung: Am Fels ist der Rucksack schwerer
- Know-How: Halle ist nicht gleich Fels
- Richtig Umlenken muss gelernt sein!
- Die Schulbank drücken: Ein Kletterkurs für Dich?
- Risiko: Es liegt nur in deiner Hand
- Vorbereitung: Die richtige Kletterroute
- Naturschutz und Kletterer-Knigge: Wem gehört der Klettergarten?
- Podcast-Tipp: Klettern – Von der Halle an den Fels
- Motivation: Warum eigentlich draußen Klettern?
Du hast in der Halle bereits die ersten Routen gespult, kannst sicher Sichern und beherrschst die Knoten? Prima, dann nehmen wir Dich jetzt mit an den Fels! Damit Du weißt, was Dich erwartet und Du Dich nicht versehentlich benimmst wie ein Affe im Porzellanladen, haben wir sieben Tipps für Dein erstes Mal am Fels zusammengestellt. Denn denk immer daran: draußen Klettern ist anders!
Ausrüstung: Am Fels ist der Rucksack schwerer
Franz Güntner
Die Tasche für den Hallenspaß hast Du schnell gepackt: Schuhe, Gurt, Sicherungsgerät, Chalkbag, Seil. Doch für Dein Abenteuer am Fels fehlen noch ein paar wichtige Ausrüstungsgegenstände:
- Helm: Steinschlag und herunterfallende Exen können immer vorkommen, ein Helm schützt Deine Birne vor Schäden
- Exen: In der Halle sind die Zwischensicherungen bereits angebracht, doch am Fels findest Du nur die Haken. 10-15 Exen gehören zum Inventar eines Kletterers. Dabei spielt es im Grunde keine große Rolle, welche Du Dir besorgst; Als Anfänger kannst Du ruhig die günstigeren nehmen oder gleich ein Set kaufen.
- Seil: Für den Fels sind normale Hallenseile meist zu kurz – draußen klettert man in der Regel mit einem 70-Meter-Modell
- Hardware: Du brauchst zu Deinen Exen noch zwei HMS
- Karabiner, entweder mit Schraub-, Balllock-, oder Trilock-Verschluss; die kommen zum Beispiel beim Toprope-Klettern zum Einsatz
Weitere Ausrüstung:
- Erste-Hilfe-Set
- Brotzeit und was zu trinken
- Je nach Jahreszeit: warme Bekleidung, zum Beispiel beim Sichern
Know-How: Halle ist nicht gleich Fels
Die größten Änderungen kommen auf Dich als Kletternden zu: Nicht nur, dass die Griffe und Tritte alle die gleiche Farbe haben (in unseren Breitengraden meist grau), Du musst auch auf einmal wissen, wie man Exen richtig einhängt und am Ende der Tour das Seil korrekt durch den Umlenker fädelt.
Kommen wir zunächst zu den Exen: Die Zwischensicherungen bestehen aus zwei Karabinern, die mit einem textilen Steg verbunden sind – fast so wie in der Halle. In der Regel kann sich ein Karabiner freier bewegen, als der andere. Der an der losen Seite kommt in die Hakenlasche, der andere nimmt das Seil auf. Es ist wichtig, dass Du die Exen immer genau so verwendest: Beim Karabiner, der in der Hakenlasche hängt, reibt Metall auf Metall, es bilden sich winzige Furchen und Grate. Kommt in den Karabiner dann auch mal ein Seil, kann es durch diese Mikro-Grate beschädigt werden. Außerdem wichtig: Hänge die Exen immer so ein, dass die Öffnung von der erwarteten Sturzrichtung weg zeigt. Im Falle eines Sturzes ist es schon vorgekommen, dass sich das Seil aus dem Karabiner ausgehängt hat. Kletterst Du direkt über den Haken, hänge einfach jede zweite Exe in die entgegengesetzte Richtung ein.
Richtig Umlenken muss gelernt sein!
Wie heißt es so schön bei der Bundeswehr: „Am Gipfel ist die Kletterbewegung einzustellen.“ Der Gipfel der Kletterer ist in dem Fall der Umlenker – die letzte Sicherung der Tour. Wichtige Änderung zu drinnen: Am Ende der Route kommt kein Hallendach, sondern oft Botanik. Also verpasse das Ende besser nicht. In der Regel ist das einfach, weil zum Beispiel ein großer geklebter Ring vorhanden ist oder gleich zwei Sicherungspunkte, die mit einer Kette verbunden sind. Leider ist nicht jede Kletterroute wie in der Halle am Ende mit ein oder gar zwei Karabinern ausgestattet. Meist findet man nur einen Ring, durch den man das Seil fädeln muss.
Die verschiedenen Methoden zum Umlenken lernst Du am besten in Kursen „Von der Halle an den Fels“, die etwa von den Alpenvereinen angeboten werden.
Die Schulbank drücken: Ein Kletterkurs für Dich?
Du hast wahrscheinlich schon einen Toprope-Kurs und einen Vorstiegskurs für die Halle absolviert – warum nicht auch einen für den Fels? Das Sichern am Fels, die Routenfindung, das Umlenken, das Einrichten des Topropes, Seilkommandos… es gäbe viel zu erzählen und das was zu erzählen ist, ist so essentiell, dass Du es nicht aus einem Text herauslesen solltest. Also: Riskier nicht zu viel und mach lieber einen Kurs.
Franz Güntner
Das Wichtige ist, dass Du jemanden hast, der auf dem neusten Stand ist, der Dir geduldig zeigt, wie es geht und Dir über Dein Tun Feedback gibt. Meistens dauern solche Felskletterkurse ein paar Tage – darum hast Du dort Zeit, viel Nützliches zu Lernen, hast Spaß draußen beim Klettern und findest oft auch neue Kletterpartner, die auch gerade den Sprung an den Fels wagen.
Risiko: Es liegt nur in deiner Hand
In der Halle gibt es die Verkehrssicherungspflicht. Soll heißen: Der Betreiber ist dafür verantwortlich, dass die Haken halten, kein Griff ausbricht und Du nicht auf dem Weg an die Wand in einer Pfütze ausrutscht. Am Fels gibt es das nicht.
Ausbrechende Felsen, kaputte oder falsch gesetzte Haken, fehlende Umlenker, absturzgefährdete Bereiche am Wandfuß, der Zu- und Abstieg allgemein. Das komplette Risiko liegt in Deiner Hand. Selbst wenn der Erschließer den Haken falsch gesetzt hat und Du deshalb runterfliegst: Dein Pech! Also: Geh mit einem wachen Auge an die Wand und denk dran: draußen ist „Abenteuer-Gelände“ – auch wenn das nächste Haus durch die Baumwipfel sichtbar ist.
Vorbereitung: Die richtige Kletterroute
Franz Güntner
Klettern soll Spaß bereiten, Körper und Geist fit machen und Dir ein positives Gefühl vermitteln. Je nach Route und Tagesform passiert das auch – oder Du bekommst eine ordentliche Klatsche. Auch Niederlagen gehören zum Sport, aber die solltest Du vielleicht nicht beim ersten Mal erleben. Versuche daher, einen Klettergarten zu finden, der möglichst viel mit einer Halle gemein hat: gute Absicherung, kürzere und viele einfachere Routen. Steigern kannst Du Dich immer noch.
Und wo findet man die? In einem Buch – einem sogenannten Kletterführer. Es listet Gebiete auf, gibt Auskunft über die Absicherung und Exposition und beschreibt die Touren in einem sogenannten „Topo“. Übernimm Dich am Anfang nicht und gib Deinem Körper und Geist die Chance, sich an die neuen Begebenheiten zu gewöhnen: Während Du beim Klettern in der Halle die Route meist komplett einsehen kannst und weißt, dass nach jedem Meter eine Zwischensicherung kommt, trifft das nicht auf Felsklettereien zu. Weite Runouts zum Umlenker, größere Hakenabstände, Routen, die in Kurven und Bogen verlaufen, und auch Griffe und Tritte, die Du suchen musst – draußen ist anders!
Außerdem steht nicht an jedem Beginn einer Tour der Name. Du musst unter Umständen also etwas suchen und die Realität mit den Zeichnungen in Deinem Kletterführer abgleichen. Insgesamt fordert also ein Tag draußen sehr viel mehr Fachwissen und Erfahrung von Dir, als ein Abend in der Kletterhalle.
Naturschutz und Kletterer-Knigge: Wem gehört der Klettergarten?
Diese Antwort ist einfach: nicht Dir! Darum solltest Du Dich auch dementsprechend verhalten. Hier ein paar Hinweise:
- Nutze offizielle Parkplätze oder die, die im Kletterführer beschrieben sind. Sie sind meist mit den Besitzern vor Ort abgestimmt.
- Gleiches gilt für den Zustieg: Bitte bleib auf den beschriebenen Wegen.
- Tagsüber klettern, abends feiern – und nicht umgekehrt: Musik (auch leise) am Fels stört andere – draußen geht es immer noch um die Erholung in der Natur und das Genießen der guten Luft.
- Apropos gute Luft: Du bist Raucher? Bitte. Rauch. Wo. Anders. Wie gesagt: gute Luft und so. Ohne Rauch kletterst Du wahrscheinlich auch bald einen Grad besser.
- Müll sollte wieder in Deinen Rucksack wandern – und nicht in das nächste Astloch. Das soll ja für wirklich coole Sachen freibleiben – Eichhörnchen zum Beispiel.
- Dein vierbeiniger bester Freund will auch mit an den Fels? Kein Problem, nur denk bitte dran, dass nicht jeder Hunde mag – und manche sogar Angst vor Deinem Kumpel haben. Du kannst Dir vorstellen, dass diese Leute dann beim Sichern nicht sehr aufmerksam sind, wenn Dein fluffiger Terrier sanft ihre Waden leckt. Also pass bitte auf Deinen Hund auf und nimm ihn an die Leine. Auch ein gut gemeinter Zuruf „Der tut nix!“, beruhigt den Ängstlichen in der Regel nicht. Und im Klettergarten solltest Du nur vor einem Angst haben müssen: weiten Stürzen.
- Auch der Umgang mit Chalk ist nicht immer ganz unproblematisch: Bitte entferne Tickmarks wieder nach Gebrauch und beachte, dass es in manchen Gebieten (zum Beispiel in der Sächsischen Schweiz) Chalk-Verbote gibt, da der Staub den Fels angreift.
Franz Güntner
Zwischenfazit: Tatsächlich gehören die meisten Klettergärten irgendwem – meist einem Landwirt oder einer Gemeinde. Das Verhältnis zwischen Besitzern und Kletterern ist oft etwas schwierig, diese Beziehung solltest Du durch Dein Tun nicht noch stärker belasten.
Neben den menschlichen Besitzern gibt es noch die Flora und Fauna: Auch ihnen gehört der Klettergarten und manchmal müssen wir Kletterer draußen bleiben, damit sie sich erholen können. Dann gibt es Sperrungen: Wie auch eine Kletterhalle hat der Fels manchmal geschlossen. Das liegt dann aber nicht daran, dass irgendwer die Griffe putzt, sondern dass man Tiere in Ruhe lassen soll. Zum Beispiel während der Vogelbrut.
Es gibt zu unterschiedlichen Jahreszeiten Sperrungen einzelner Felsen oder ganzer Gebiete. Ist ein Felsen gesperrt, sollte man sich unbedingt dran halten. Strafen treffen nicht nur Dich, sondern unter Umständen die ganze Kletter-Community. Nämlich dann, wenn so ein Fels für immer gesperrt wird. Also, warte lieber ein paar Wochen oder Monate und geh bis dahin in ein anderes Gebiet.
Woher Du weißt, ob und wann ein Fels gesperrt ist? Eine gute Frage! Das steht in Deinem Kletterführer und natürlich auf der – zugegeben etwas modernisierungsbedürftigen – Webseite www.dav-felsinfo.de.
Podcast-Tipp: Klettern – Von der Halle an den Fels
Draußen klettern ist anders – so viel ist sicher! In dieser Beratungsfolge des Bergzeit Podcasts verrät Dir Bergführer Mick, was Kletterer und Kletterinnen bei ihrem ersten Mal draußen am Fels beachten sollten und gibt Tipps zu Ausrüstung, Sicherheit und Naturschutz beim Felsklettern.
Motivation: Warum eigentlich draußen Klettern?
Weite Stürze, keine Mucke, nervige Vögel – eigentlich hast Du jetzt gar keine Lust mehr, draußen zu Klettern, oder? Prima! Genau das wollte ich mit diesem Artikel erreichen: Für mich als leidenschaftlichen Felskletterer gibt es nichts besseres, als den Fels für mich alleine zu haben. Also bleib bitte in der Halle, draußen ist es wirklich gar nicht soooo schön, wie alle immer meinen. Nein, im Ernst: Es ist mega-cool!!! Wenn das Sonnenlicht durch die Baumwipfeln blitzt, die kühle, frische Morgenluft Deine Lungen flutet und Du das Klimpern Deiner Exen am Gurt hörst, wirst Du wissen, wovon ich rede.
Franz Güntner
Du wirst Deine Schuhe anziehen, den kühlen, griffigen Fels in die Hände nehmen, die unterschiedlichen Strukturen kleinen Neigungen, Dellen und Risse wahrnehmen und schon nach dem ersten Meter über dem Boden wirst Du Dich fragen, warum Du nicht schon immer hier warst.
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