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Das Phänomen Hydrolyse

Warum löst sich die Sohle von Wanderschuhen?

7 Minuten Lesezeit
Auch bei wenig benutzten Wanderschuhen kann sich ab einem gewissen Alter plötzlich die Sohle lösen. In diesem Artikel erfährst Du, warum dieses Phänomen auftritt, wie Du im Notfall reagierst und was Du tun kannst, um den natürlichen Alterungsprozess Deiner Wanderschuh-Sohlen hinauszuzögern.

Kennst Du jemanden, der plötzlich auf einer Wanderung ohne Sohle dastand? Oder vielleicht ist es Dir selbst schon passiert? Wenn sich die Wanderschuh-Sohle ablöst, ist das nicht nur eine unangenehme Überraschung, sondern es kann auch gefährlich sein, insbesondere, wenn Du in anspruchsvollem Gelände unterwegs bist.

Die Erklärung: Hydrolyse bei Wanderschuhen

Entgegen häufiger Annahme hat das Ablösen der Sohle nichts mit mangelnder Qualität oder Abnutzung zu tun. Die Ursache ist meist die sogenannte Hydrolyse – ein natürlicher Alterungsprozess des Materials Polyurethan (PU), das in den Zwischensohlen von Wanderschuhen verwendet wird.

💡Das Wichtigste in Kürze
  • Was ist Hydrolyse? Ein durch Feuchtigkeit ausgelöster chemischer Verfallsprozess von Materialien, die auf Polyurethan (PU) basieren.
  • Betroffene Schuhe: Wanderschuhe mit PU-Zwischensohlen. Tritt häufig bei kaum benutzten, älteren Schuhen auf.
  • Risikofaktoren: Hohe Luftfeuchtigkeit, Hitze-Einwirkung durch hohe Temperaturen, UV-Strahlung, Bakterien und Säuren (z.B. durch Kuhdung oder Salzwasser).
  • Erste Anzeichen: Feine Risse, zerbröselnde Zwischensohle oder eine sich lösende Profilsohle. Oft beginnt der Prozess jedoch von innen und ist von außen nicht erkennbar.
  • Empfohlene Maßnahmen: Schuhe, die älter als 6 Jahre sind, überprüfen lassen; bei sichtbaren Schäden nicht mehr verwenden. Prüfen, ob eine Neubesohlung in Frage kommt.

PU bietet hervorragende Dämpfungseigenschaften und ist formstabil, leicht und flexibel. Deshalb kommt es bei den meisten Bergschuhen zum Einsatz. Doch mit der Zeit, wenn sich die Weichmacher auflösen, kann das Material porös werden und zerbröseln. Wenn dann Feuchtigkeit, UV-Licht oder sogar Bakterien in kleinste Risse eindringen, wird der Zersetzungsprozess beschleunigt. Im schlimmsten Fall löst sich die Zwischensohle ganz auf und die Laufsohle fällt ab.1

Dieser Prozess kann bei Berg- und Wanderschuhen frühestens nach fünf Jahren ab Herstellung einsetzen, tritt oft aber auch erst nach zehn Jahren oder mehr auf.

Dass sich die Sohle löst, kann bei jedem Bergschuh ab einer gewissen Zeit auftreten.

Bärbel Voigtländer

Dass sich die Sohle löst, kann bei jedem Bergschuh ab einer gewissen Zeit auftreten.


Dass sich die Sohle löst, kann bei jedem Bergschuh ab einer gewissen Zeit auftreten.

Hanwag

Ursache ist der natürliche Alterungsprozess des Kunststoffs PU in der Zwischensohle.


Notfall-Tipps: Was tun, wenn die Sohle sich unterwegs löst?

Falls Du in die Situation kommst, dass sich die PU-Sohle Deiner Wanderschuhe plötzlich verabschiedet, können Dir folgende Maßnahmen helfen, um sicher ins Tal oder zurück in die Zivilisation zu gelangen:

  • Absteigen: Unverzüglich umkehren und so einfach wie möglich absteigen oder die nächstgelegene Hütte aufsuchen.
  • Hilfe suchen: Unterstützung beim Hüttenteam oder bei Mitarbeitenden einer Liftstation erfragen. Sie können dir möglicherweise helfen, die Sohle provisorisch zu befestigen.
  • Klebeband oder Kabelbinder verwenden: Wickel Panzertape (reißfestes Klebeband) oder Kabelbinder um den Vorderfuß, um die Sohle vorübergehend zu fixieren. Notfalls kannst Du es auch mit medizinischem Klebeband oder großen Pflastern aus dem Verbandsset probieren.
  • Improvisieren: Ein Haargummi oder ein Verband aus dem Erste-Hilfe-Set können ebenfalls kurzfristig helfen. Auch lange Schnürbänder lassen sich zur Fixierung über Kreuz um den Schuh wickeln, um die Sohle an Ort und Stelle zu halten. Im Winter kannst Du Deine Grödel/Spikes überziehen. Ebenso kannst Du ein Tuch oder eine Socke verwenden.

Durch diese Maßnahmen kannst Du versuchen, die Sohle so lange wie möglich zu fixieren, um sicher den Rückweg antreten zu können. Gehe dabei jedoch keine unnötigen Risiken ein und brich im Zweifelsfall lieber eine Tour ab, als eine Verletzung zu riskieren.

Hast Du kein starkes Tape zur Hand, hilft auch ein Verband aus dem Erste-Hilfe-Set.

Franziska von Treuberg

Hast Du kein starkes Tape zur Hand, hilft auch ein Verband aus dem Erste-Hilfe-Set.


Hast Du kein starkes Tape zur Hand, hilft auch ein Verband aus dem Erste-Hilfe-Set.

Annika Zeilinger

Ein Haargummi (links) oder die Schuhbänder über Kreuz gewickelt (rechts) können eine leicht gelöste Sohle notdürftig fixieren.


Vorsorge-Tipp: Ergänze ein kleines Reparaturset für die Schuhe auf Deiner Wander-Packliste – starkes Klebeband, Kabelbinder und ein Multitool. Ein Leser hat außerdem empfohlen, Spaxschrauben samt Einschraubtool einzupacken. Diese Utensilien können im Notfall helfen, die Wanderschuh-Sohle wieder zu befestigen, um überhaupt weitergehen zu können.

Anzeichen für eine geschädigte PU-Sohle erkennen

Um das Risiko eines unerwarteten Sohlenverlustes zu minimieren, solltest Du Deine Wanderschuhe ab einem gewissen Alter regelmäßig auf Anzeichen von Alterung überprüfen, vor allem wenn sie lange nicht in Gebrauch waren:

  • Probetour: Eine Probetour unternehmen oder die Bergschuhe im Alltag testen.
  • Sohleninspektion: Hersteller wie Hanwag oder Meindl empfehlen, die Schuhe nach circa sechs Jahren im Fachhandel überprüfen zu lassen.
  • Drucktest: Mit mäßiger Kraft mit dem Fingernagel oder einem Schlüssel vorsichtig die Zwischensohle eindrücken. Gibt das Material etwas nach und schließt sich wieder, ist es noch elastisch. Bei verhärtetem, porösem Material besteht die Gefahr, dass der Kunststoff zerbröselt und sich auflöst.
  • Biegen: Beim Biegen des Schuhs können ebenfalls Anzeichen von Beschädigung am Übergang von der Sohle zum Trägermaterial erkennbar werden.

Nicht immer erkennst Du selbst, ob die Zwischensohle bereits verhärtet ist. Im Zweifel beim Händler oder Hersteller nachfragen und die Sohle vom Profi anschauen lassen.

Wenn feine Risse sichtbar sind, die Zwischensohle verhärtet ist oder bröckelt oder sich die Profilsohle bereits ablöst, dann solltest Du mit diesen Schuhen keinesfalls mehr auf Tour gehen!

Wenn die Zwischensohle der Wanderschuhe zerbröselt (hier zu erkennen als feiner schwarzer Sand), hat sie das Ende ihrer Lebensdauer erreicht.

Franziska von Treuberg

Wenn die Zwischensohle der Wanderschuhe zerbröselt (hier zu erkennen als feiner schwarzer Sand), hat sie das Ende ihrer Lebensdauer erreicht.


ℹ️ Wichtig zu wissen: Der Prozess der Hydrolyse beginnt oft von innen und ist daher von außen nicht unbedingt sichtbar. Daher lässt sich mit den genannten Tests eine beschädigte PU-Sohle nicht ausschließen. So kann es passieren, dass sich durch die Belastung bei der ersten Tour nach langer Zeit eine bereits vorgeschädigte Sohle plötzlich aufzulösen beginnt.

🛠️Sohlentausch

Um die Gefahr eines Sohlenzerfalls gänzlich auszuschließen, kannst Du – sofern bei Deinem Modell möglich – die Schuhe nach einer gewissen Zeit neu besohlen lassen.

Besonders wenn Dein Bergschuh schon älter ist und Du eine anspruchsvolle Tour planst, empfehlen wir Dir auf Nummer sicher zu gehen und die Sohle rechtzeitig erneuern zu lassen. Mehr Infos zur Wiederbesohlung von Wanderschuhen findest Du im Abschnitt zur Neubesohlung.

Das kannst Du vorbeugend tun: Schuhe benutzen und gut pflegen

Ob der altersbedingte Zerfall Deiner Wanderschuh-Sohlen früher oder später einsetzt, kannst Du zum Teil mit beeinflussen. Diese Maßnahmen helfen vorbeugend, die Alterung des PU-Kunststoffes hinauszuzögern:

  • Regelmäßiger Gebrauch schützt: Wenn die Schuhe regelmäßig getragen werden, verzögert sich die Hydrolyse und tritt seltener auf. Der Kunststoff in der PU-Sohle bleibt geschmeidig und kleine Risse können gar nicht erst entstehen.
  • Richtige Lagerung: Wanderschuhe kühl, trocken, dunkel und gut belüftet lagern. Intensive UV-Strahlung und Hitze (z.B. im Kofferraum eines Autos) vermeiden.
  • Reinigung und Pflege: Schuhe nach jedem Gebrauch gründlich reinigen und regelmäßig pflegen. Salzwasser, Kuhdung, Erde und aggressive Substanzen sollten sofort entfernt werden.
  • Trocknung: Nasse Schuhe richtig trocknen lassen, dabei direkte Sonneneinstrahlung und Hitze-Einwirkung vermeiden.
Selten bleiben die Wanderschuhe auf Tour so sauber. Dehalb am besten nach jedem Gebrauch gründlich reinigen und groben Schmutz zeitnah entfernen.

Bergzeit

Selten bleiben die Wanderschuhe auf Tour so sauber. Dehalb am besten nach jedem Gebrauch gründlich reinigen und groben Schmutz zeitnah entfernen.


Wann kommt eine Neubesohlung in Betracht?

Falls Deine Wanderschuh-Sohle bereits erste Zeichen des Verfalls zeigt oder sich sogar schon gelöst hat, musst Du die Schuhe nicht unbedingt entsorgen. Eine Neubesohlung ist in vielen Fällen eine nachhaltige und sinnvolle Alternative. Möglich ist dies zum Beispiel bei Schuhen mit gezwickter Machart und bei zwiegenähten Schuhen, wie sie etwa Hanwag oder Meindl produzieren.

Viele Modelle von Hanwag sind gezwickt oder zwiegenäht und machen damit eine vollständige Neubesohlung möglich.

Hanwag

Viele Modelle von Hanwag sind gezwickt oder zwiegenäht und machen damit eine vollständige Neubesohlung möglich.


Ob sich eine Neubesohlung wirklich lohnt, hängt vom Zustand und dem Wert Deines Wanderschuhs ab. Hochwertige Bergschuh-Modelle sind in der Regel die Investition wert. Eine Neubesohlung kostet um die 100 bis 150 Euro und kann dem Schuh einige weitere Jahre Nutzungsdauer bescheren. Zeigt Dein Schuh jedoch bereits andere Schwachstellen wie eingerissenes Leder, empfehlen wir einen Neukauf.

Ob Dein Schuhmodell wiederbesohlbar ist, erfährst Du im Fachhandel oder beim Hersteller. Beachte zudem, dass die Neubesohlung je nach Hersteller bis zu 6-8 Wochen oder auch länger dauern kann. Du kannst Dich natürlich auch an Deinen Schuster vor Ort wenden.

🥾Wiederbesohlen über Bergzeit
  • Eine Neubesohlung über Bergzeit ist möglich.
  • Dazu stellst Du eine Anfrage über das Reklaportal oder informierst Dich in den Bergzeit Filialen.
  • Neben den Kosten des Neubesohlens durch den Hersteller fällt zusätzlich eine Servicepauschale für den Aufwand an.

In bestimmten Fällen – zum Beispiel je nach Land, in dem Du wohnst – kannst Du Dich auch direkt an den Kundenservice von Hanwag, Lowa oder Meindl wenden. Auch Scarpa und La Sportiva bieten eine Wiederbesohlung von Bergschuhen an.

Weitere Hersteller findest Du hier: Diese Outdoor-Hersteller bieten Reparaturservices an

Gut zu wissen: Durch eine Neubesohlung kann sich die Passform des Schuhs leicht verändern. Bei Schuhen mit einer Gore-Tex-Membran erlischt die Garantie auf die Dichtigkeit des Materials.

Fazit: Wie lange hält die Sohle von Wanderschuhen?

Es lässt sich nicht genau vorhersehen, wann Deine Wanderschuhe altern und was im Inneren der Sohle passiert. Besonders bei wenig benutzten, lang gelagerten Bergschuhen ist das Risiko jedoch hoch, dass sich die PU-Sohle unerwartet auflöst.

Der Verfallsprozess, der zum Ablösen der Sohle führt, setzt frühestens fünf Jahre nach der Produktion ein. Bei regelmäßigem Gebrauch und guter Pflege können Deine Schuhe jedoch auch 15 bis 20 Jahre halten. Die oben genannten Tipps helfen Dir, eine böse Überraschung auf Tour zu vermeiden.

Regelmäßiger Gebrauch und gute Pflege können den Alterungsprozess der Zwischensohle hinauszögern.

Darüber hinaus kannst Du rechtzeitig über eine Neubesohlung nachdenken oder den Kauf neuer Bergschuhe in Betracht ziehen. Vor allem wenn Du eine längere und schwierigere Tour planst, solltest Du hier auf Nummer sicher gehen.


Quellen

1 Hanwag (Info zum Lösen der Wanderschuh-Sohle) und Meindl (Info zur PU-Alterung)

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